Studio-Aufnahme-Trends

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Aamon
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Studio-Aufnahme-Trends

Beitrag von Aamon »

Interessantes Posting von User Neudi28 ausm Rock Hard Forum, der diesen Text fürs Breakout geschrieben hat:

http://forum.rockhard.de/rhf/viewtopic. ... &start=300
Iron Maiden - erstes Album - erster Song “Prowler”. Linker Kanal: Die Rhythmusgitarre beginnt mit dem Einstiegsriff. Rechter Kanal: Erst ein Schmatzen, wahrscheinlich vom Kabel der Gitarre, dann ein kurzes Feedback - der Gitarrist ist heiß darauf, in den Song einzusteigen, man hört und fühlt die Spannung der jungen Band, die erste volle LP für EMI-Electrola aufnehmen. Endlich - sein Part ist gekommen und er spielt das Lead-Riff von Prowler.
Diese ca. 10 Sekunden haben mehr Energie und mehr Gefühl, als die meisten aktuellen Produktionen zusammen. Im Jahre 2008 würde der Mischer oder der ausführende Produzent anders verfahren: Der rechte Kanal würde bis zum Einstieg der Gitarre gemuted, also gelöscht werden. Für einen jungen Knöpfchendreher handelt es sich nämlich um unschöne Störgeräusche, die man auf gar keinen Fall dem Hörer zumuten kann.
Bleiben wir bei unserem Beispiel Prowler von Iron Maiden. Hätte sich die Band 2006 gegründet und würden sie jetzt ihr Debüt einspielen, dann würde das bei den heutigen technischen Möglichkeiten bei meistens gleichzeitig geringen Budget komplett anders ablaufen. Früher mußte sich jede Gruppe den Allerwertesten “abproben”, um anschließend fit für die Recordings zu sein. Natürlich wird schon seit den Siebzigern im Mehrspurverfahren, also meist Musiker für Musiker, aufgenommen, trotzdem gab es nur zwei Möglichkeiten: Guter Take - bleibt auf dem Band, oder schlechter Take - nochmal bitte! Und zwar so lange und so oft, bis der Produzent und die Musiker selbst zufrieden waren. Bei einigen prominenten Beispielen wie z.B. Peter Criss, Drummer von Kiss, wurden Studiomusiker hinzugezogen, damit das Ergebnis befriedigend ausfällt (Criss hat weder auf Dynasty, noch auf Unmasked getrommelt). Aber immerhin, es war ein Mensch, der später auf dem Album zu hören war.
Bei unseren Newcomern Iron Maiden würde der Drummer nach Clicktrack (ein programmiertes Metronom, welches direkt vom Recordingprogramm im PC des Engineers ausgeht) und einer Gitarre als Pilotspur (damit er sich orientieren kann) Prowler einspielen. Dem Engineer ist es erstmal völlig egal, ob er sich hier und da verhauen hat und ob er den Takt nicht zu 100% gehalten hat. Warum? Jedes einzelne Teil des Schlagzeugs ist auf einer Spur in seinem Programm aufgezeichnet und diese kann man nun beliebig bearbeiten: Geraderücken (bis zur absoluten Leblosigkeit), Austauschen der einzelnen Sounds, Lautstärken anpassen etc. In den meisten Fällen ist nach diesen Maßnahmen das eigentliche Spiel und die eigene Identität des Drummers komplett verloren. Aber egal, es muß ja nur marktgemäß perfekt sein und schnell gehen.
Bei den Saiteninstrumenten herrscht derzeit die vollkommene Faulheit. “Spiel mir ein paar mal den Strophenpart und danach einige Male den Refrainpart” ist eine häufige Anweisung an die Saitenfraktion. Dem Engineer genügt ein gut gespieltes Fragment, danach kann und wird er diesen Teil “loopen”, also so lange hintereinander kopieren, wie es der Teil des Songs benötigt. Soli dürfen übrigens noch ganz regulär eingespielt werden.
Beim Gesang wird in den Refrains und bei anderen sich wiederholenden Teilen auch das Loop-Verfahren angewendet. Ansonsten gibt es genügen Plug-Ins und Geräte, die schräge Gesangstöne richten.
Sind die Recordings beendet kommt es vor, dass komplette Teile eines Songs geloopt werden (verdoppelte Refrains zum Beispiel).
Am Ende wäre Prowler zwar vielleicht perfekter als das Original von 1980, aber leider auch steril, unmenschlich und ohne hörbare Identität der einzelnen Musiker.
Das Abmischen der CD verläuft zunächst noch ähnlich wie früher, aber der nächste Hammer folgt als letzter Schritt: Das Mastern der CD. Eine fertig gemixte Produktion wird schon seit vielen Jahren als finales Tool dem Tonträger angepaßt. Dabei werden erneut einzelne Frequenzen angehoben oder abgesenkt und die endgültige Lautstärke der CD maximiert. Sicher ist schon vielen Lesern aufgefallen, dass man aktuelle Scheiben bei gleicher gewünschter Lautstärke nicht mehr so aufdrehen muß, wie noch vor 10 Jahren. Ein Hintergrund für diese Maßnahme ist, dass Lautstärke den Kauf eines Tonträgers beim Probehören mehrerer Produkte beeinflussen kann. “Klingt fett” ist die Aussage, die Plattenfirmen gerne hören möchten. Wie mache ich eine CD lauter? Man fährt den Pegel einfach hoch und schneidet dann die Frequenzen ab, die in den roten Bereich gehen. Ist doch völlig egal, ob das die Snare, die Becken oder Gitarrenfrequenzen sind - hauptsache “fett”. Wäre ein Song wie Remember Tomorrow der ersten Iron Maiden so aufregend gewesen, wenn der Dynamikunterschied zwischen der ruhigen Strophe und dem lauten, aggressiven Refrain durch bewußtes Mastern nicht so auffällig gewesen wäre? Ich glaube kaum. Nein, heute kann eine Band nur noch live oder im Proberaum entscheiden, wann es etwas leiser und gemächlicher sein darf.

Auch wenn dieses Thema hier nur kurz angerissen wird, bin ich mir doch sicher, dass durch die Hardrock- und Metalszene ein heller Aufschrei gehen würde, wenn diese Umstände ein echtes Szenethema werden würden. Viele Fans haben nicht das technische und musikalische Verständnis, warum sie sehr oft die Aussage “früher war Alles besser” von sich geben und dennoch ist es ein allgemeiner Tenor bei den Ü-30-Rockern. Und nein, nur selten sind die Bands an diesem Umstand schuld, was sie dann live zu beweisen haben. Der technische Fortschritt und der Anspruch in punkto Produktion und Mastering ist schuld daran, dass viele eigentlich gute Scheiben regelrecht versaut werden. Selbst Nostradamus von Judas Priest wäre durchaus hörbar, würde man auf dem Album auch die Band samt Drummer hören. Ein weiterer negativer Effekt der Recordingmöglichkeiten: Die schon seit Jahren anhaltende Veröffentlichungsschwemme! Im Old-School-Aufnahmeverfahren würden viele Bands im Studio nicht bestehen können und die Plattenfirmen müßten sich sehr genau von der Qualität der Musiker überzeugen. Ich erinnere mich noch an Stories, in denen Bands nach zwei Tagen vom Produzent nach Hause geschickt wurden: “Übt erst mal bevor ihr wiederkommt!”

Übrigens: Das letzte Studioalbum von Iron Maiden war in der Tat nicht so laut, wie die konkurrierenden Produkte. Laut Steve Harris wurde die Scheibe gar nicht gemastert. Es schmatzt zwar heute kein Kabel mehr, aber trotzdem vielen Dank dafür! Und ich lebe lieber mit einer leicht zerrenden Death Magnetic (Metallica), als mit einem “fetten” Brei!
und dann ist auch die vinyl-aufklärung vom peter interessant... ich find leider den thread net mehr, wo über diese vinyl-problematik diskutiert wurde hier... *off center* war mir neu... gibt's hier beispiele, wo man das hören kann?
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