Nachrichten, die es freut zu lesen

Quassel, Quatsch und Diskurs abseits der Musik
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Strrr
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Beitrag von Strrr »

[quotebx0]
[ibx0]Original von reanimapeda:[/ibx0]
wann warst du?
[/quotebx0]

Sorry erst jetzt gelesen.
Ich war Okt. 98 bis Sept. 99 beim ASBÖ Perchtoldsdorf.
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reanimapeda
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Beitrag von reanimapeda »

ah, alles klar. ja, wie gsagt: ich war 2002-2003 und während meiner zeit wurde das halt eben erst eingeführ,also noch nicht sooo lange.
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Aamon
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Beitrag von Aamon »

lol
http://www.bild.t-online.de/BTO/leute/2 ... 33220.html




Satanisten-Rocker aus Norwegen klagen Berliner Rüpel-Rapper an
Bushido hat uns beklaut!
Von ULI SCHÜLER

Wer will Ärger mit denen? Die Rocker der norwegischen Horror-Band \"Dimmu Borgir\" sehen zum Fürchten aus

Jetzt hat ER sich mit den Falschen angelegt: Sie sehen aus wie Leichen, spucken Blut - und wollen Berlins Rüpel-Rapper Bushido (29) vor Gericht zerren!

Ist er ein Lieder-Dieb? Berlins Nummer-1-Rapper Bushido (29) soll Schadensersatz zahlen


Die norwegische Satanisten-Band \"Dimmu Borgir\" (verkauften 2,5 Mio. CDs weltweit, waren auf Platz 7 in den deutschen Albumcharts!) fühlt sich von dem Berliner beklaut!

Managerin Yvette Uhlmann: \"Über das Internet haben wir erfahren, dass Bushido aus unserem Song ,Mourning Palace\' die Melodie geklaut und für seinen Song ,Mittelfingah\' benutzt hat. Das hat bereits ein Gutachter bestätigt. Da wir über diese Verwendung nicht infomiert wurden, bedeutet das: Bushido hat das Urheberrechtsgesetz schwer verletzt!\"

Jetzt fordert die Band einen Schadensersatz!

Schocker-Musiker Silenoz (31) droht: \"Wenn der deutsche Rapper unser Angebot nicht annimmt, bringen wir ihn sofort vor Gericht! Wer uns verarscht, bekommt ein richtiges Problem.\"

Über die Summe, die Bushido zahlen muss, beraten jetzt die Anwälte.

Und was sagt Bushido?

Der Rapper ließ BILD ausrichten: \"Kein Kommentar!\"

Es scheint, als hätten ihn diese düsteren Herren doch etwas beeindruckt...
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Kreuznagel
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Beitrag von Kreuznagel »

hahaha wie geil is das denn? :D
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Nukkumatti
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Beitrag von Nukkumatti »

Hegemonie-Nostalgie, made in USA


Für ihren Krieg gegen „Schurkenstaaten“ haben die USA und die Regierung unter George W. Bush bis dato einen verheerend hohen Preis gezahlt. Es häufen sich die Fehler, der Antiamerikanismus verschärft sich, eine Lösung der Probleme ist nicht in Sicht: Anmerkungen zur Selbstüberschätzung einer Weltmacht von Francis Fukuyama.

*******

Als ich vor fast 20 Jahren vom Ende der Geschichte schrieb, war eine Sache, die ich nicht vorhersah, das Maß, in dem Amerikas Verhalten und Fehlurteile den Antiamerikanismus zu einer der wesentlichen Spannungslinien der Weltpolitik machen würden. Und doch ist – vor allem seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 – genau das passiert, und zwar aufgrund von vier von der Bush-Regierung begangenen zentralen Fehlern.

Erstens wurde die als Antwort auf die Anschläge entwickelte Doktrin zum Einsatz präventiver Maßnahmen (preemption) in unangemessener Weise auf den Irak und andere sogenannte „Schurkenstaaten“ ausgedehnt, die Massenvernichtungswaffen zu entwickeln drohten. Sicher, gegenüber staatenlosen Terroristen mit derartigen Waffen sind Präventivmaßnahmen berechtigt. Aber sie können nicht das Herzstück einer allgemeinen Strategie zur Verhinderung der Verbreitung von Atomwaffen sein, dergestalt, dass die USA überall militärisch intervenieren, um ihre Entwicklung zu verhindern.

Kosten zu hoch

Die Kosten der Umsetzung einer solchen Politik wären schlicht zu hoch (allein im Irak sind es bisher mehrere hundert Milliarden Dollar und zehntausende Tote). Dies ist auch der Grund, warum die Bush-Regierung militärischen Konfrontationen mit Nordkorea und dem Iran aus dem Weg gegangen ist – trotz ihrer Bewunderung des israelischen Luftschlages gegen den irakischen Reaktor in Osirak 1981, der damals Saddam Husseins Atomprogramm um mehrere Jahre zurückwarf.

Schließlich führte der Erfolg eben dieses Angriffs dazu, dass eine derart begrenzte Intervention sich nie wieder würde wiederholen lassen, weil die Möchtegern-Atommächte gelernt haben, ihre werdenden Waffenprogramme unterirdisch, versteckt oder in mehrfacher Ausführung zu betreiben.

\"Führung\" oder \"Unilateralismus\"

Die zweite wichtige Fehlkalkulation betraf die zu erwartende weltweite Reaktion auf Amerikas Ausübung seiner hegemonialen Macht. Viele innerhalb der Bush-Regierung glaubten, dass der Einsatz amerikanischer Macht selbst ohne Zustimmung des UN-Sicherheitsrates oder der Nato einfach durch seinen Erfolg legitimiert werden würde. Dies war das Muster vieler US-Initiativen während des Kalten Krieges und auf dem Balkan während der 1990er-Jahre gewesen; damals galt dies als „Führung“ und nicht als „Unilateralismus“.

Zum Zeitpunkt des Irakkrieges freilich hatte sich die Lage geändert: Die USA waren im Vergleich zur übrigen Welt so mächtig geworden, dass der Mangel an Wechselseitigkeit selbst für Amerikas engste Verbündete zur Quelle heftigen Ärgers wurde. Der aus der globalen Machtverteilung entstehende strukturelle Antiamerikanismus war bereits vor dem Irakkrieg am Widerstand gegen die US-geführte Globalisierung unter Clinton deutlich erkennbar. Er wurde aber durch die von Anfang an eklatante Missachtung einer Vielzahl internationaler Institutionen seitens der Bush-Regierung verschärft – ein Muster, das sich dann im Vorfeld des Irakkrieges kontinuierlich fortsetzte.

Amerikas dritter Fehler war es, die Effektivität konventioneller militärischer Mittel im Umgang mit den schwachen Staaten und vernetzten transnationalen Organisationen, die die internationale Politik zumindest im erweiterten Mittleren Osten charakterisieren, zu überschätzen.

Komplexe Kräfte

Es lohnt sich, darüber nachzudenken, warum ein Land mit mehr militärischer Macht als jedes andere in der Geschichte, das so viel für seinen Militärhaushalt ausgibt wie alle übrigen Länder zusammen, es auch nach dreijähriger Besatzungsdauer nicht schafft, ein kleines Land mit 24 Millionen Einwohnern zu befrieden. Zumindest Teil des Problems ist, dass die USA es hier mit komplexen gesellschaftlichen Kräften zu tun haben, die nicht in Form zentralisierter Hierarchien organisiert sind, welche Regeln durchsetzen können, und daher nicht durch konventionelle Macht eingeschüchtert oder anderweitig manipuliert werden können. Israel machte im Libanonkrieg des vergangenen Sommers einen ähnlichen Fehler, als es dachte, es könne sein enormes konventionelles militärisches Übergewicht nützen, um die Hisbollah zu vernichten. Sowohl Israel als auch die USA hängen in nostalgischer Weise der durch Nationalstaaten geprägten Welt des 20. Jahrhundert nach – was verständlich ist, da dies die Welt war, für die sich die Art konventioneller Macht, die sie besitzen, am besten eignet.

Dieses nostalgische Denken jedoch hat beide Staaten zu einer Fehlinterpretation ihrer aktuellen Herausforderungen verleitet – sei es, dass sie die Al-Kaida mit Husseins Irak in Verbindung brachten oder die Hisbollah mit dem Iran und Syrien. Im Fall der Hisbollah besteht eine derartige Verbindung, doch die vernetzten Akteure haben ihre eigenen gesellschaftlichen Wurzeln und sind keine bloßen Schachfiguren in den Händen regionaler Mächte. Dies ist der Grund, warum die Ausübung konventioneller Macht frustrierend geworden ist.

Und schließlich mangelte es der Bush-Regierung beim Einsatz dieser Macht nicht nur an einer überzeugenden Strategie oder Doktrin, sondern schlicht auch an Kompetenz. Allein im Irak verschätzte sich die US-Regierung bei der Bedrohung durch Massenvernichtungswaffen, versäumte es, einen angemessenen Plan für die Besatzung aufzustellen und erwies sich als unfähig, schnell auf Fehlentwicklungen zu reagieren. Bis zum heutigen Tage patzt sie im Irak den Ball bei so überschaubaren operativen Fragen wie der Finanzierung von Maßnahmen zur Demokratieförderung.

Ruf nach Krieg

Inkompetenz bei der Umsetzung hat strategische Folgen. Viele der Stimmen, die nach einer Militärintervention im Irak riefen und diese dann verpfuschten, rufen jetzt nach einem Krieg mit dem Iran. Warum sollte der Rest der Welt annehmen, dass ein Konflikt mit einem größeren und entschlosseneren Feind in kompetenterer Weise gehandhabt werden würde? Das grundlegende Problem freilich bleibt die ungleiche Machtverteilung innerhalb des internationalen Systems. Jedes Land in einer Lage wie die USA – selbst eine Demokratie – wäre versucht, seine hegemoniale Macht mit zunehmend weniger Zurückhaltung auszuüben. Amerikas Gründerväter ließen sich von einem ähnlichen Glauben leiten, dass unkontrollierte Macht, selbst wenn sie demokratisch legitimiert ist, gefährlich sein könnte, und schufen daher ein Verfassungssystem mit interner Gewaltenteilung, um die Macht der Exekutive zu beschränken.

Auf globaler Ebene gibt es derzeit kein derartiges System, was erklären könnte, warum Amerika so in Schwierigkeiten geraten ist. Eine ausgewogenere internationale Machtverteilung – selbst innerhalb eines nicht vollständig demokratischen globalen Systems – würde weniger Verlockungen aufwerfen, bei der Machtausübung die Umsicht über Bord zu werfen. (Francis Fukuyama, DER STANDARD, Printausgabe 10./11.11.2007)

_____________


interessant, dass sich herr fukuyama in den letzten jahren ziemlich gedreht hat. aber es freut natürlich, wenn menschen vernünftiger werden ....
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Nukkumatti
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Beitrag von Nukkumatti »

Vielleicht können wir jenem Redakteur helfen, der gerade für die Barbara Karlich Show zum Thema \"Vorurteile\" recherchiert. \"Und zwar bin ich für die Sendung noch auf der Suche nach einem männlichen Muslimen\", schrieb er an den Kulturverein Kanafani: \"Um die Aussagen und den Kontrast zu verstärken, sollte der Interessent idealerweise dem Klischee-Bild eines \'Terroristen\' entsprechen, sprich langer Bart, dunkle Augen (...).\" Wie halt Terroristen so aussehen. \"Bitte nicht missverstehen\", bat der Redakteur, \"ich möchte in der Sendung genau auf diesen ersten Eindruck ansetzen, der sich dann im Laufe des Gesprächs quasi als \'falsch\' entpuppen sollte.\" Da ist man bei Karlich zum Glück ja recht geduldig. Im Leben draußen kommt ein optisch derart klar erkennbarer Terrorist vor der Verhaftung oft gar nicht mehr zu Wort.

Schade, der Kulturverein Kanafani konnte in der Sache nicht behilflich sein. Sein Obmann erwiderte dem Journalisten: \"Leider sind alle unsere männlichen Mitglieder mit Bart und dunklen Augen tatsächlich Terroristen. Ich (...) wünsche Ihnen aber viel Erfolg bei Ihrer weiteren Suche.\"

Dem schließen wir uns vorurteilsfrei an. (Daniel Glattauer/ DER STANDARD Printausgabe 20.10.2007)

*ROFL*
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Nukkumatti
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Beitrag von Nukkumatti »

Während nun auch Erwachsene Second Life und MySpace entdecken, wenden sich Jugendliche zunehmend altmodischen Low-Tech-Beschäftigungen zu. Diese Erkenntnis findet sich im D-Code, einer jährlichen Jugendstudie von Henley Centre Headlight Vision (HCHLV), einem Beratungsunternehmen im Besitz der Werbeagentur WPP. Natürlich wollen junge Leute nicht vollkommen auf Hightech-Spielzeuge wie iPod und Playstation verzichten, doch als Ausgleich werden immer öfter technisch weniger anspruchsvolle Produkte gekauft und verwendet. \"Zurück zu den Wurzeln\" sollte laut Studie der neue Leitspruch für Produktdesign, Verpackung und Werbung sein, berichtet die Zeitung The Independent.

\"Es gibt das Bedürfnis nach einem Gegengewicht zu Stress und Ängsten\"

Basteln, Stricken und Wolken-Beobachtung gehören zu den Tätigkeiten, mit denen sich junge Leute von ihrem technisierten Leben erholen. \"Es gibt das Bedürfnis nach einem Gegengewicht zu Stress und Ängsten und das ist ein Gegenpol zu neuen Medien und Technologien. Junge Leute suchen nach den Freizeitbeschäftigungen ihrer Jugend, als sie noch nicht mit denselben Erwartungen und Verantwortungen konfrontiert waren\", erklärt Liz Chernett, Co-Autorin des D-Codes. Ein \"analoges Leben\" ohne digitalen Schnickschnack hat wieder Anziehungskraft.

\"Die Leitungen der Jugendlichen sind überlastet\"

\"Die Leitungen der Jugendlichen sind überlastet. Sie kommen nicht mehr nach mit ihren E-Mails, Facebook-Seiten, Second Life Avataren und Flickr-Fotos. Sie haben das Gefühl, dass die Technologie, die verbinden sollte, sie eigentlich trennt\", meint Crawford Hollingworth, Vorsitzender von HCHLV. Zumindest zeitweise wollen junge Leute also nichts mit Hightech-Produkten zu tun haben. Das bietet eine neue Chance für eindimensionale Low-Tech Produkte, wie zum Beispiel Handsets, mit denen man \"nur\" telefonieren kann.

http://derstandard.at/?id=3117081
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Nukkumatti
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Beitrag von Nukkumatti »

Bern - Bei der Neuwahl der Schweizer Regierung (Bundesrat) ist es am Mittwoch in Bern zu einem Eklat gekommen. Der bisherige Justiz- und Polizeiminister Christoph Blocher, rechtspopulistisches Zugpferd der konservativen Schweizerischen Volkspartei (SVP), wurde abgewählt. Im zweiten Durchgang wählte die aus den beiden Parlamentskammern (Nationalrat und Ständerat) bestehende Vereinigte Bundesversammlung Blochers Parteikollegin Eveline Widmer-Schlumpf, die nicht kandidiert hatte, in den siebenköpfigen Bundesrat. Zunächst war ungewiss, ob die moderate Politikerin aus Graubünden die Wahl annimmt. Die SVP als stimmen- und mandatsstärkste Partei hatte im Vorfeld der Wahl angekündigt, sie werde in die Opposition gehen, falls Blocher nicht gewählt werde.

Die von der Linken und der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) überraschend ins Spiel gebrachte Widmer-Schlumpf erhielt im zweiten Wahlgang 125 von 242 gültigen Stimmen. Blocher kam nur auf 115 Stimmen. Die SVP-Fraktion forderte nach Blochers Niederlage eine Unterbrechung der Parlamentssitzung, was von den anderen Parteien abgelehnt wurde. Unmittelbar vor der Abstimmung hatte SVP-Fraktionschef Caspar Baader noch einmal an die Parlamentsmitglieder appelliert, Blocher zu wählen. Dieser habe den \"besten Leistungsausweis des gesamten Bundesrates\". Das Volk würde eine Nicht-Wiederwahl niemals vestehen. Konkordanz bedeute, dass man \"den besten Exponenten einer Partei\" wähle, sagte Baader. Er konterte damit den Vorwurf der Linken, mit dem Beharren auf Blocher die Konkordanz auszuhöhlen.

Vor der Abstimmung waren die vier amtsältesten Mitglieder der Regierung für vier Jahre bestätigt worden. Pascal Couchepin von den Freisinnigen (FDP) und Samuel Schmid (SVP) erzielten sehr gute Resultate, die Sozialdemokraten Moritz Leuenberger und Micheline Calmy-Rey schlechtere, weil ihnen Stimmen der SVP fehlten.

Zu Blochers spektakulärer Niederlage gibt es historische Parallelen auf der Seite der Linken: Im Dezember 1983 wurde der Sozialdemokrat Otto Stich, ohne selbst Kandidat zu sein, von der bürgerlichen Mehrheit in den Bundesrat gewählt, die offizielle SP-Kandidatin Lilian Uchtenhagen fiel durch. Stich akzeptierte die Wahl und wurde letztlich von seiner Partei akzeptiert. 1993 weigerten sich die bürgerlichen Parteien, die offizielle SP-Kandidatin, die Gewerkschaftsführerin Christiane Brunner, in den Bundesrat zu wählen. Sie gaben ihrem parteiintern unterlegenen Konkurrenten Francis Matthey den Vorzug. Matthey weigerte sich jedoch aus Parteidisziplin, die Wahl anzunehmen, worauf man sich schließlich auf die Sozialdemokratin Ruth Dreifuss als Kompromisslösung einigte. (APA)


muahahahaha - wunderbar!
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Nukkumatti
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Beitrag von Nukkumatti »

eine wundervolle hommage an die wiener straßenbahn:

http://www.tramway.at/t-rpl-3.htm


:f_liebe:
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mauergecko
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Beitrag von mauergecko »

ein gut geschriebener Artikel, weiß nur nicht ob der Inhalt erfreulich ist oder nicht:

Vom Glück der Erleuchtung

Von Iris Radisch

Wer mehr vom Leben will, sollte seine Zeit besser nutzen. Ein Plädoyer

Wir alle haben in diesen Tagen wenig Zeit, deshalb will ich nicht lange um den heißen Brei herumreden und fange mit dem Wichtigsten an. Mit den großen durch und durch weihnachtlichen Fragen: Warum leben wir, wie wir leben? Und gefällt uns das, was wir tun, auch wirklich? Sie sind ein bisschen groß diese Fragen. Auch ein bisschen naiv, umweht vom Geruch der ewigen Unbeantwortbarkeit. Außerdem ist es nicht mehr üblich, diese kulleräugigen Fragen nach dem Sinn unseres Lebens in der Wir-Form zu stellen. Ob das Universum schweigt oder spricht. Ob es uns aus Absicht oder aus Zufall gibt. Ob es im Leben auf viel Liebe, viel Urlaub oder auf eine möglichst große Briefmarkensammlung ankommt, das soll doch jeder, bitte schön, allein entscheiden. Diese Freiheit haben wir endlich erobert. Jetzt müssen wir sie nur noch verteidigen. Wo ist das Problem?

Das Problem sind, mit Verlaub, wir selber. Das Problem ist, dass wir zwar meistens wissen, was wir wollen, aber selten danach handeln. Und zwar nicht dieser oder jener, der immer schon mal dieses oder jenes tun wollte – ein gutes Buch lesen, ein Kind zeugen oder zu Fuß nach Wannepumpel wandern –, aber leider nicht dazu kommt. Sondern eine ganze Gesellschaft, die sich um ihr eigenes Glück bringt. Nicht Tag und Nacht, nicht jeder und nicht immer – aber doch ziemlich prinzipiell. Wenn das stimmt, und vieles, allzu vieles spricht dafür, dass das stimmt, sollte man die Frage nach dem gelingenden Leben nicht mehr nur ratgebermäßig und privat beantworten (trinken Sie mehr Wasser, machen Sie sich bei Kerzenschein ein paar schöne Stunden, schalten Sie das Handy ab und zu mal aus), sondern strukturell, früher hieß das mal: politisch.

Und das ist ziemlich kompliziert, auf den ersten Blick auch völlig absurd. Warum sollen wir, die wohlversorgten Bewohner eines der reichsten Länder dieser Erde, uns denn um unsere eigenen Glücksmöglichkeiten bringen? Ist das nicht wieder nur so eine miesepetrige Unterstellung aus Opas altlinker Nörgelecke? Wann hatte es der Mensch denn je so gut wie heute? Was kann man sich nicht alles schenken zu Weihnachten! Sommerurlaub im Winter, Antifaltencreme für die reife, sehr reife, überreife Haut, Whirlpool mit Sprudel von unten, von der Seite, von allen Seiten und immer so weiter auf der Fortschrittsleiter. Das Prinzip ist bekannt. Strittig ist nur seine Bewertung.

Freut euch doch einfach mal, sagen die einen. Und das sind oft die, die von dem Prinzip ganz gut leben. Die Magazin-Macher, deren redaktionelle Arbeit vom Anzeigenteil nur noch durch aufwendige Textexegese zu unterscheiden ist. Die Marktlückenfüller, die den größten Teil ihrer unwiederbringlich verrinnenden Lebenszeit darauf verwenden, das nächste Produkt auf den Markt zu pressen. Und all die anderen, die nicht im Morast der Massenartikel waten und sich noch so richtig, richtig über ihren neuen BMW freuen können. Ja, warum freuen wir uns da nicht einfach mit?

Ich finde: Wir geben uns ungeheure Mühe, nicht nur zur Weihnachtszeit. Wir wollen uns wirklich freuen. Wir alle beteiligen uns nach Kräften am Erfolgsrezept moderner kapitalistischer Gesellschaften. Wir kaufen enorm viel ein. Jedenfalls viel mehr, als wir bei nüchterner Betrachtung jemals brauchen. Wir kaufen auch jedes Jahr mehr (heute laut Statistischem Bundesamt schon rund zehn Prozent mehr als noch im Jahr 2000). 15.000 Gegenstände soll ein deutscher Haushalt heute durchschnittlich enthalten. Die Autorin dieses (wie sich bald herausstellen wird) konsumkritischen Textes muss schamhaft gestehen: Bei ihr sind es wahrscheinlich eher 150.000. Die Mühen der Müllentsorgung überschreiten die Mühen des Warenerwerbs inzwischen schon bei Weitem.

Die Bereitschaft zum Freuen fehlt uns also in keiner Weise. Niemand sitzt mehr mit seiner einzigen Teetasse in der Hand auf der Schaumstoffmatratze und studiert beim Schein einer von der Decke baumelnden Energiesparlampe Das Kapital oder seine modernere Entsprechung: Hartmut Rosas Untersuchung über die Beschleunigung unseres Lebens (sollte man unbedingt lesen, auch gern im Sessel). Im Gegenteil, wir alle wollen uns durchaus mit aller Kraft und auch mit aller Kaufkraft freuen. Wir wären blöd, wenn wir das nicht wollten. Wozu sonst sollte die ganze Veranstaltung hier unten gut sein? Dass die Endauszahlung erst da oben und mit erheblicher Zeitverzögerung erfolgt, müssen wir heute nicht mehr glauben. Und selbst wenn wir auf diesen letzten überirdischen Zahltag hoffen, dürfen wir uns auch auf Erden schon mal ein bisschen vorfreuen. Glück ist erlaubt, Glück ist das Beste, was wir haben. Für Glück gibt es keinen Ersatz. Verpasstes Glück ist das Schlimmste, was es gibt.

Das Problem ist nur, dass wir offenbar nicht wissen, wie es funktioniert. Das jedenfalls behauptet die Glücksforschung, die herausgefunden haben will, dass das, was wir vor allen Dingen tun, nennen wir es der Einfachheit halber: uns mit aller Arbeits-, Kauf- und Herzenskraft dem Mehrwertprinzip anzuvertrauen, unserem Glück wider Erwarten nicht zuträglich ist. Das ist durchaus überraschend. Denn das Prinzip der Wohlstandsmehrung, dem wir eigentlich ganz zu Recht treu und schicksalsergeben folgen, hat ein paar Jahrmillionen lang (wenn wir die Dekadenzphase der römischen und anderer großer Hochkulturen einmal abziehen) einwandfrei funktioniert. Und es klappt auch immer noch in unterentwickelten Gesellschaften. Offenbar funktioniert es erst in den hoch entwickelten Wohlstandsgesellschaften seit ein paar Jahren nicht mehr. Deswegen kann uns eigentlich bisher niemand vorwerfen, dass wir von einem derartigen Erfolgsknüller der Menschheitsgeschichte nicht so schnell lassen können.

Ein Fehler ist es trotzdem. Denn das urzeitliche Glücksrezept Mehr-und-noch-mehr-vom-Selben und die ständige Steigerung aller Optionen erfüllt seinen Zweck plötzlich nicht mehr. Oberhalb einer bestimmten erreichten Wohlstandsgrenze (von angeblich rund 10.000 Dollar Jahreseinkommen pro Kopf) ist das Wohlbefinden durch weitere Wohlstandssteigerung offenbar nicht mehr zu beeinflussen. Solche Glücks-Grenzbestimmungen mögen im Einzelnen angreifbar und variabel sein. Und doch gibt es den begründeten Verdacht: Wir arbeiten seit ein paar Jahren oder Jahrzehnten unserem Glück entgegen. Das ist zwar, menschheitsgeschichtlich gesehen, überhaupt noch kein Grund, von einem klassischen, geradezu urgeschichtlichen Erfolgsprinzip unserer Entwicklung grußlos Abschied zu nehmen. Aber schön ist es irgendwie auch nicht.

Ökonomen würden sagen: Ausgaben und Einnahmen, Investitionen und Gewinne sind außer Rand und Band. Die Teile passen alle nicht mehr zueinander. Wir arbeiten sehr viel (unter anderem deswegen, weil so viele andere aussortiert und zwangsentschleunigt sind), verdienen Geld, finden aber kaum noch Zeit dazu, das Geld auszugeben (dafür gibt es den Shopping-Berater). Schaffen wir es irgendwie doch noch (zum Beispiel weil Weihnachten ist), das Geld in Waren umzutauschen, fehlt uns die Zeit, die Waren zu konsumieren (das Buch zu lesen, die Hobelbank aufzustellen). Ein Schwachpunkt in unserer vor Rechenfehlern nur so strotzenden Rechnung. Denn anders als der Erwerb lässt sich der Konsum der Waren bisher nicht delegieren. Haben wir die Waren dann doch irgendwann irgendwie konsumiert, schaffen wir es wiederum kaum noch, sie zu entsorgen, um für neue Waren Platz zu machen (in diese Lücke stoßen die großen Entrümpelungsbestseller wie Simplify your life und andere Müllentsorgungsliteratur). Wir selbst, um die es in diesem ganzen Rennen eigentlich geht, werden dabei immer mehr zum Zuschauer unseres Lebens. Das Selbsterlebte ist uns in diesem Durcheinander irgendwo abhanden gekommen.

»Wir leben wie Tote«, hat Albert Camus einmal geschrieben. Das klingt nicht gut und ist zu düster und unpassend für unser hell erleuchtetes, an Vitalität und Bewegung so überreichem Leben. Das Lebensgefühl, das Camus ausdrücken wollte, ist uns aber bekannt. Es ist das Gefühl, nicht selbst zu leben, sondern gelebt zu werden. Selbst unbeteiligt zu sein und in den rasenden Umschlagsbewegungen der Gesellschaft wie eine herausgeputzte Kleiderpuppe hin und her geworfen zu werden und die Notbremse nicht zu finden. »Rasender Stillstand« haben Paul Virilio und nach ihm eine ständig wachsende Zahl von Zeit-Philosophen dieses Phänomen genannt.

Dieser rasende Stillstand führt dazu, dass wir alles Wichtige in unserem Leben mehr und mehr von anderen erledigen lassen. Liebe und Sex von den Darstellern auf den Bildschirmen, Familienleben von den gewerblichen Freizeitgestaltern, Gesprächsbedarf von den Talkmeistern, Lebenssinnsuche, Unterhaltung und Abenteuer von den Fachkräften der Reise- und Kulturindustrie. All diese Wirtschaftszweige sind hoch qualifizierte Anbieter von konzentrierten Instant-Erlebnissen, die uns gegen kleines oder größeres Entgelt zur Verfügung stehen.

Diese käuflichen Erlebnisangebote sind meist so erstklassig und professionell, dass der Vergleich zwischen dem gekauften Erlebnis und dem selbst verfertigten Erlebnis-Original in etwa so ausfällt wie der zwischen Omas gehäkelten Topflappen und einer hochgerüsteten Einbauküche. Mit anderen Worten: Die selbst verfertigte Erlebnisware hält dem Qualitätsvergleich nicht stand. Die selbst verfertigte Wirklichkeit ist grau und mühsam, sie klappt nicht, sieht nicht so gut aus, sie ist voller Makel. Außerdem dauert sie viel zu lange. Die gekaufte Wirklichkeit bietet mehr Erlebnis in kürzerer Zeit.

Auf diese Weise schrumpft die selbst erlebte Wirklichkeit immer mehr (die Soziologen sprechen von einer »Gegenwartsschrumpfung«). Manchmal können wir sie nirgends mehr finden. Das Weihnachtsfest vergeht über dem Studium der Gebrauchsanweisungen der Geschenke. Und so richtig lachen kann man auch erst wieder, wenn Harald Schmidt sein Konditionstief endlich überwunden hat. Das mag übertrieben sein, und hier und da wird es sicher noch Familienfeiern geben, auf denen Onkel Egon Mundharmonika spielt. Alarmierend ist die rasant ansteigende Tendenz zum Lebensfertigprodukt dennoch: Jahrhundertelang hat man sich Sorgen um das Leben nach dem Tod gemacht. Dass das Leben vor dem Tod gerade am Aussterben ist, ganz einfach, weil wir kaum noch Zeit und Lust zum Selberleben haben, sollte uns heute noch viel mehr Sorgen machen.

Ein wachsender Teil der Kulturelite schafft den Fernseher ab

Brandneu ist die Erkenntnis natürlich nicht, dass wir vor lauter Arbeit das Leben verpassen. Der Buchmarkt ist voll mit sehr lesenswerten Büchern über das Lob des Müßiggangs (Bertrand Russell), Die Kreativität der Langsamkeit (Fritz Reheis), die Zeit als Lebenskunst (Olaf Georg Klein), das Tempo der Welt (Karlheinz Geißler), das Leben als letzte Gelegenheit (Marianne Gronemeyer), die Kunst der Selbstausbeutung (Jacob Schrenk) und die Tretmühlen des Glücks (Mathias Binswanger). Die Eliten haben längst begriffen, dass uns die digitalisierte Spätmoderne aus dem Ruder läuft, und steuern zurück. Ein wachsender Teil der Kulturelite schafft im Moment den Fernseher ab und betreibt gedrosselten und nachhaltigen Konsum (die Trendforscher nennen diese neue gut betuchte Konsumentenklasse, zu der in Deutschland rund 15 Millionen Menschen gehören sollen, die »Lohas«, die Anhänger des Lifestyle of Health and Substainability).

Die Soziologie, die Lernpsychologie und die Gehirnforschung können sie dazu nur beglückwünschen. Das Selberleben ist, nach allem, was wir heute wissen, ein unverzichtbarer Grundbaustein für die Entwicklung der Intelligenz und des Glücksgefühls. Nachhaltiges Lernen findet nur statt, wenn (wie die alte Reformpädagogik schon behauptet hat) Hand, Herz und Kopf gemeinsam mit im Spiel sind. Neue Synapsenbildung im Gehirn setzt sinnliche Erfahrungen voraus. Und anhaltende Befriedigung kann uns die Vielzahl unserer Erlebnisse, auch der Kauf- und Bildschirmerlebnisse, erst dann verschaffen, wenn sie sich mit unserem Leben so verknüpfen, dass echte Erfahrungen daraus entstehen.

Konsumkritik ist deswegen längst zu einer Frage der Lebensqualität geworden. Die Zeiten, in denen der Konsumkritiker den Leuten das schöne Leben vermiesen wollte, »nur« um die Welt zu retten und den Kindern in Afrika zu helfen, sind vorbei. Konsumkritik ist heute nötig, um sich selber vor der Welt und ihren rasenden Warenströmen in Sicherheit zu bringen und überhaupt wieder Spaß an den Einkäufen zu haben. Der nimmt nämlich mit rasender Geschwindigkeit ab. Man nennt dieses Phänomen das Wohlstandsparadox: Mit steigendem Lebensstandard steigt das Anspruchsniveau und sinkt die Dauer der durch die Ware gewährten Lusterfüllung. Auf der aussichtslosen Suche nach dem anhaltenden Warenglück kaufen wir immer mehr in immer kürzeren Intervallen. Wobei die meisten Käufe bald gar nicht mehr der Lustbefriedigung (auf die wir nach dem Kauf des zehnten Handymodells nicht mehr ernsthaft hoffen), sondern der Statusvermehrung dienen: Wenn Klein Emma eine Barbiepuppenkutsche mit Pferden hat, kann Klein Erna mit ihren popeligen drei Barbiepuppenhandtaschen nicht mehr zufrieden sein.

Aussteiger, die Kühe melken, sind noch kein Modell

Eine Umkehr dieser wachstumsfördernden Glücksvernichtungslogik ist ohne Entschleunigung, ohne Drosselung und Qualifizierung des Konsums kaum möglich. Verzicht aus Hedonismus, das scheint, weil wir so lange im alten System der ständigen Maximierung gerechnet haben, ein Widerspruch in sich zu sein. Die einfache Erkenntnis, dass wir uns durch das rigide Maximierungsprinzip längst nur noch schaden, mag im Ghetto der sogenannten postmaterialistischen Werte-Elite schon lange angekommen sein – als Wohlfühl-Ideologie der Privilegierten. Aber ernsthafte, also politische, auch bildungspolitische, familienpolitische, arbeitspolitische Sprengkraft hat diese einfache Erkenntnis noch nicht. Und das ist uns nicht gut bekommen.

Ausstieg, Downshifting, Entschleunigung – das sind bisher nur die Zauberworte der babyfarbenen Wellnessbeilagen der Zeitungen, die ihre Entspannungs- und Machen-Sie-mal-Pause-Artikel mit den Anzeigengeldern der Reha-Kliniken und Burn-out-Sanatorien finanzieren. Im Hauptteil wird das Wachstumsmantra weiter gebetet. Wir haben ja keine Alternative: »There is no alternative« (die Soziologen nennen diesen ersten Glaubensartikel unseres Wirtschaftens und Nachdenkens schon freundschaftlich beim Spitznamen: TINA). Ganz stimmt das nicht.

Jeder kennt irgendwo einen Kauz, der sich eine Blockhütte gebaut hat, weniger arbeitet und nur noch Fahrrad fährt. Meine größte Hochachtung hat mein Freund Helmut, der jeden Tag seine drei Kühe mit der Hand melkt und seine vier Kinder davon ernährt, Freunde mit frisch gemolkener Milch zu versorgen. Ein Modell für mehr als sich selbst sind all diese liebenswerten Halb-, Viertel- und Vollaussteiger aber nicht.

Entschleunigung hier ein bisschen und da ein bisschen und am Ende die Totalentschleunigung in der Herzinfarktklinik – das reicht nicht. Das letzte Hemd hat bekanntlich keine Taschen. Niemand wird es auf dem Totenbett bereuen, nicht noch mehr Stunden im Büro verbracht, nicht auch noch die nächste Generation irgendeines Fernsprechapparates oder eines Turnschuhs ausprobiert zu haben. Am Ende wird klar, dass das Ganze nicht die Probe für etwas war, das noch kommt. Es war bereits die Aufführung. Und wir haben nichts anderes gemacht, als das Bühnenbild mit sehr viel Geld und sehr viel Arbeit aufwendig zu dekorieren.

Wenn das Wachstumsprinzip uns heute überfordert, liegt das nicht an uns und unseren schwachen Nerven. Nicht wir sollten uns also ändern, verbiegen, umbauen, runterschrauben oder aus dem Verkehr ziehen. Das Wachstumsprinzip sollte das tun. Es sollte sich vermenschlichen. Kapitalismus mit menschlichem Antlitz, das wäre besser als 80 Millionen flexible Wachstumsvollstrecker, die für sich, die Kunst, die Kinder und die kranken Eltern am Abend noch 30 Minuten Qualitätszeit haben. Eine Arbeitskultur, die Freiräume schafft und Präsenzrituale abbaut, und eine Lebenskultur, die auf unverkäufliche Erfahrungen setzt und die Konsumkomödie ausbremst – das in etwa wären dann mal wieder die Weihnachtswünsche. Nur Wünschen hilft natürlich nichts. Hat noch nie geholfen.

http://www.zeit.de/2007/52/weihnachtshektik?page=all
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mauergecko
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Beitrag von mauergecko »

hm vielleicht mal eine Fred für interessante Artikel aufmachen? na egal:

Der mystische Charakter des Alten

Von Christian Buder

Artefakte schätzen wir nur, wenn sie \"echt alt\" sind. Dabei wäre selbst eine perfekt gemachte Kopie viel preiswerter. Wofür zahlen wir also das viele Geld?


Angenommen, ein Mann hat eine antike Bronzestatue aus dem 15. Jahrhundert erworben. Ein Gutachten bestätigt es ihm. Später stellt sich beispielsweise durch eine wissenschaftliche Prüfung heraus, dass die Statue eine gekonnte Fälschung ist, mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen. Statt einer antiken Statue hat der Mann eine zwei Jahre alte Nachbildung erworben, zum stolzen Preis von 100.000 Euro.

Ohne das Ergebnis der Echtheitsanalyse würde er noch immer Gefallen an seinem Kauf finden und fände auch den hohen Preis gerechtfertigt. Äußerlich hat sich an der Statue nichts geändert, dennoch spricht er jetzt von einer Fälschung, erstattet Anzeige wegen Betrugs und findet, dass das Ding nicht mal 100 Euro wert sei. Doch wofür hat er eigentlich so viel Geld bezahlt? Für das Objekt allein kann es nicht sein - die Statue beharrt jenseits von falsch und wahr in ihrem physikalischen Zustand. Verändert hat sich lediglich das Wissen des Käufers, das er von dem erworbenen Objekt hat.

Welchen zusätzlichen Wert erhält ein Gegenstand, wenn er als \"echt alt\" gilt? Warum ist manch 50 Jahre alte Kaffeemühle mehr wert als eine neue? Warum kostet ein Schreibtisch aus dem 18. Jahrhundert mehr als ein neuer? Preistheoretisch könnte man antworten, dass die Nachfrage für solch seltene Gegenstände höher ist als das Angebot, doch bleibt die Frage, warum alte Gegenstände in unserer westlichen, kapitalistisch orientierten Gesellschaft so begehrt werden? Was verleitet den Homo oeconomicus, der dazu neigt, nutzenorientiert zu handeln nun, für das Prädikat des \"echt alten\" mehr Geld hinzulegen?

Die Fälschung reproduziert zwar den Gegenstand, im besten Falle so, dass er vom Original nicht mehr zu unterscheiden ist, hat aber einen entscheidenden Mangel: Sie hat keine Geschichte. Die Geschichte der Bronzestatue beginnt mit ihrem Entstehen als Artefakt, als in Form gebrachte Materie, und zieht sich dann fort von Besitzer zu Besitzer. Geschichtlich wird das Objekt allerdings erst dann, wenn seine Genealogie auch dokumentiert wird. Zwei Dinge bestimmen die Geschichtlichkeit eines Objekts: Wer es geschaffen hat und wer es besessen hat. Bei Kunstobjekten wie der kürzlich von Christie\'s versteigerten Odalisque von Matisse steht der Künstler im Vordergrund, während bei einer silbernen Tabakdose aus dem Besitz Louis XIV. der Besitzer im Vordergrund steht.

Bei einer prähistorischen Statuette rücken sowohl der Künstler, der das Objekt geschaffen hat, als auch die Besitzer in den Hintergrund. Was bleibt, ist die bloße Vorstellung, dass die Statuette Zeuge einer vergangenen, längst überholten Kultur ist. Die Dokumentation ihrer Geschichte wird dann durch einen Experten besorgt. Deshalb kann es auch passieren, dass zufällig gefundene Gegenstände jahrelang unentdeckt auf irgendeinem Schreibtisch als Briefbeschwerer dienen, bevor sie ihren Weg in ein Museum oder in ein Auktionshaus finden.

Die anerkannte dokumentierte Geschichtlichkeit eines Objekts drückt aus, ob es sich um einen echten Gegenstand handelt oder um eine Kopie. Taucht nun eine äußerlich identische Fälschung auf, wird klar, dass nicht der Gegenstand an sich eine Fälschung darstellt, sondern erst der Anspruch der Kopie auf die Geschichte des Originals. Der Käufer einer prähistorischen Statue erwirbt zwar den Gegenstand, bezahlt aber hauptsächlich für dessen anerkannt dokumentierte Geschichte. Doch Geschichte ließe sich wesentlich günstiger nachlesen, ohne dass man dafür viel Geld bezahlen muss. Warum boomt das Geschäft mit den \"Originalen\" und mit den \"echten\" Objekten gerade in unserer westlichen Konsumgesellschaft?

Der Erwerb eines Objekts geht in der modernen marktwirtschaftlichen Gesellschaft weit über das Prinzip der Nützlichkeit hinaus. Der \"mystische Charakter der Ware\", so formulierte es Karl Marx, geht nicht aus seinem Gebrauchswert hervor, sondern wird ihm von außen zugetragen. Werbestrategen haben das schon lange erkannt und verkaufen mit den Produkten gleichzeitig einen gewissen symbolischen Wert, mit dem sich der Käufer identifizieren soll. Grundlegend für diese symbolische Wertzuschreibung ist jedoch eine psychologische Eigenart des Menschen: Der Käufer sieht sich zu einem gewissen Teil in dem erworbenen Gegenstand verwirklicht. Das Objekt ist die vorübergehende Befriedigung des Konsumenten, der sich selbst nie genug ist. Psychologisch gesehen ermöglicht der erworbene Gegenstand, dass er sich selbst existenziell bestätigt fühlt – jedenfalls für einen Augenblick und so lange, bis es ihn erneut in die Konsumschleife treibt. Der konsumierende Mensch wird von seinen Objekten in dem gleichen Maße besessen, wie er diese besitzt.

Welchen Gefallen findet er nun daran, einen Gegenstand zu besitzen, der seine eigene Geschichte hat? Worin liegt der Reiz, eine \"echt\" antike Statue zu kaufen und dafür wesentlich mehr Geld auszugeben als für eine identische, neue? Reicht eine gut gemachte Kopie nicht aus, um die Vorstellung zu beflügeln, dass die Gestalt dieser Statue Jahrtausende durchwandert hat? Welche Besonderheit kommt dem Echten zu, dass es solche Begehrlichkeiten weckt?

Die Identifikation mit dem erworbenen Objekt zielt bei dem Echten nicht auf den Gegenstand, sondern auf dessen Herkunft. Man kann sich nicht mit der Geschichte eines Gegenstands identifizieren, wenn diese ein Produkt der eigenen Vorstellung ist. Durch den Erwerb des echten Gegenstands reiht sich der Käufer selbst in die Geschichte dieses Gegenstands ein. Der Käufer hinterlässt nun selbst eine geschichtliche Spur und erhält seinen Platz in der Genealogie des Gegenstands. Der Besitzer wird Mitglied der Familie im Stammbuch des Gegenstands.

Über die Identifizierung mit dem Gegenstand wird der Besitzer sozusagen in den Adelsstand erhoben. Denn auch Adel ist keine biologische Tatsache, keine Angelegenheit des Bluts, sondern die anerkannt dokumentierte Geschichte einer Familie und ihres gesellschaftlichen Status zu einer bestimmten Zeit. Biologisch gesehen stammt jeder Mensch aus einem \"alten\" Geschlecht. Jeder lebende Mensch ist sein eigener Zeuge. Doch nicht jeder kann seine Herkunft dokumentieren. Belegt wurden häufig nur die Daten der Würdenträger einer Gesellschaft. Das einfache Volk ging namenlos in den Wirren der Geschichte unter. Ein trivialer Gegenstand kann dagegen durch seine Dauer Jahrhunderte später zum heiß begehrten Zeitzeugen werden, wenn ihn ein Experte in den Adelsstand hebt. Eine Karriere, an der sein Käufer teilhaben will.


http://www.zeit.de/online/2007/50/Wert-alt-neu?page=all
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Nukkumatti
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Beitrag von Nukkumatti »

guter kommentar:

Nicht sehr freundlich, was die russischen Offiziere im ersten Teil der Robert Dornhelm-Verfilmung von \"Krieg und Frieden\" da über die österreichische Armee und den österreichischen Kaiser von anno 1805 zu sagen hatten. In der Frühzeit des ORF hätte derlei noch patriotische Empörungsstürme ausgelöst. (Kaiser Franz Josef im Nachthemd in der genialen \"Radetzkymarsch\"-Fassung von Michael Kehlmann führte 1965 noch zu Tobsuchtsanfällen der Krone.) Heute kratzt das keinen mehr.

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Größere Gelassenheit oder einfach Geschichtsvergessenheit? Wohl beides. Letzteres ist ein Problem des heurigen \"Gedenk-\" oder \"Bedenkjahres\". Es wird nicht leicht sein, vor allem den Jüngeren zu verdeutlichen, was diese Abfolge von \"8er\"-Jahren - 1848, 1918, 1938, 1968 - überhaupt bedeutet. Und ob sie überhaupt etwas bedeutet.

Die Antwort ist einfach und schwierig zugleich: Vor allem 1918 und 1938 sind die beiden \"Ur-Katastrophen\" dessen, was \"österreichische Identität\" heißt. 1918 brach ein übernationales, mitteleuropäisches Reich von 52 Millionen Menschen zusammen. Erst heute, fast hundert Jahre später, beginnen wir (teils widerwillig) zu begreifen, dass dieser Raum jedenfalls wirtschaftlich, zum Teil auch kulturell, unsere Chance war und ist.

1918 war gleichzeitig die Grundursache für die zweite, 1938 eingetretene Ur- Katastrophe, das - oft begeistert begrüßte - Verschwinden des selbstständigen Österreich im Großdeutschen Reich, zugleich das schrecklichste Regime der Weltgeschichte.

Auch hier haben wir in einem bemerkenswerten Akt der Überwindung die alten Dämonen (fast) ausgetrieben. Die Österreicher fühlen sich heute als Österreicher und nicht als anschlusssuchende Deutsche, wie es in den Dreißigerjahren noch überwiegend der Fall war. Es war ein äußerst mühsamer und - siehe \"Ausländerdebatte\" - keineswegs voll bewältigter Prozess, das antidemokratische und \"völkische\" Denken des Nationalsozialismus und Deutschnationalismus abzuschütteln oder wenigstens zu zähmen.

Noch in den 80er-Jahren waren ziemlich viele Österreicher mit Waldheim der Meinung, man habe im Vernichtungskrieg der Nazis nur \"seine Pflicht getan\", bzw. glaubten mit Jörg Haider, das Dritte Reich habe tatsächlich \"eine ordentliche Beschäftigungspolitik\" betrieben.

Mythen dieser Art sind haltbar, auch weil sie so eingängig klingen. Es ist daher gut, sie immer wieder in das harte, klare Licht der Aufklärung zu stellen. Fragestellungen könnten lauten: Kann das Vielvölkerreich - und die Art seines Untergangs - noch relevant für uns Heutige sein ? Oder: Was ist so anziehend an einer \"Philosophie\" der Gewalt, des (Rassen-)Hasses und der Niedertracht, dass so viele darauf hereinfallen konnten (und mentalitäre Reste noch bis heute bleiben) ?

Oder: Warum fiel die \"Studentenrevolte\" von 1968 in Österreich im Vergleich etwa zu Frankreich und Deutschland so zahm aus - hatte aber doch realpolitische Folgen in Form der gesellschaftlichen Reformen der darauf folgenden Kreisky-Ära?

1848 ist ein fernes Datum, aber kein uninteressantes. Die damaligen Revolutionäre wollten die Monarchie nicht wirklich abschaffen, eher reformieren. Das Herrscherhaus mit dem jungen Franz Joseph an der Spitze ließ Wien bombardieren und kroatische \"Kolonialtruppen\" wüten (2000 Tote).

Alte Geschichten. Aber sie haben doch etwas mit uns zu tun, nämlich mit der Frage, wo wir herkommen und wer wir sind. (Hans Rauscher/DER STANDARD, Printausgabe, 8.1.2008)
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Nukkumatti
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Beitrag von Nukkumatti »

Der Narrenturm

Trog das Gefühl, oder war er da? Keiner sah ihn, jeder spürte seine Anwesenheit im Zielraum. Vielleicht neben dem Rettungshelikopter über der im Schnee liegenden Gestalt, deren bewusstloses Zucken mehrere Sekunden lang das TV-Bild füllend in die Welt übertragen wurde. Der Unfall des US-Abfahrers Scott Macartney passierte am Beginn eines Skirennens, das seinen Namen wieder verdiente. Nicht wegen der buckligen, nach Aussage von Läufern wie Bode Miller verantwortungslos riskant präparierten Streif, sondern wegen eines alternden Helden: Hermann Maier. Er erzählte das Auferstehungsmärchen, das der von Charisma-Invaliden, Strebern und Selbstlobern (einzige Ausnahme: Bode Miller) wimmelnde Skisport so dringend benötigte.

Der Zuseher an der Strecke kann ein Skirennen gar nicht sehen. Wie Otto Penz in der Ringvorlesung \"Macht. Bewegung. Sport\" an der Universität Wien analysiert, stellt erst das Fernsehen einen für den Zuseher beobachtbaren Zusammenhang her. Durch die eingeblendeten Laufzeiten, Zeitlupen, Wiederholungen und Einspielungen folgen die mit freiem Auge kaum unterscheidbaren Gestalten einer uralten Dramaturgie, die Aristoteles\' Prinzipien der Einheit von Ort, Zeit und Handlung unterworfen ist.

Ohne Tod ist keine Dichtung. Die in Kitzbühel vom Fernsehen und den Zeitungen hergestellte Erzählung bearbeitet ihn und andere Themen auf ihre zeitgemäße Weise. Die Anziehungskraft der Konstruktion ist fast unwiderstehlich, sie zieht Massen von Erlebnishungrigen an. Trotz des Wissens, vom \"Sport\" nichts sehen zu können, es sei denn über Video-Walls oder Bildschirme. Public Viewing an der Strecke, in den Dorfgassen und Wirtshäusern ist wie im Fußball die Befreiung des Fernsehzuschauers aus der unverschuldeten Vereinzelung.

Robert Dornhelms Vierteiler \"Krieg und Frieden\" hat bewiesen, dass die verzopfte Bildsprache der TV-Vergangenheit den großen Geschichten nicht mehr gerecht wird. Wenn schon trivial, dann spannend. Kitzbühels Rennwochenende und der Spitzensport überhaupt mag als zeitgemäße, massentaugliche Bearbeitung des Themas gelesen werden. Und sie wirkt. Wahlkämpfende, nach Präsenz gierende Politiker begehen die Peinlichkeitsszene. Die Sportler nutzen den Promi-Auflauf zur Erhöhung der Sichtbarkeit und daraus folgend des Werbewerts.

Der Sport steht keineswegs \"im Mittelpunkt\", wie der Marketing-Chef des Events und des Skiverbandes, Ex-Rennfahrer Harti Weirather, weismachen will. Sei es aus Naivität oder Kalkül. Kitzbühel erzählt die Evolution eines Rennens zum Event zur Generierung ungeheurer Geldströme. Raiffeisen hat daraus die richtigen Folgerungen gezogen und im Promi-Dorf während der Rennwoche quasi seine Alpenzentrale installiert. Zu Ehren des größten Prominenten: Hermann Maier.

Kitzbühel repräsentiert tatsächlich Österreich und seine beliebteste Wunschvorstellung. Hier herrscht, ein Wort Franz Schuhs über Andrè Heller paraphrasierend, die Oberfläche bis zum Grund. Die totale Party knapp über dem Tod.

http://derstandard.at/?id=3190010
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Nukkumatti
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Beitrag von Nukkumatti »

hahahaha:




Kleines Crash-ABC

Diese Woche konnten wir beobachten, wie schnell alles den Bach runtergeht, wenn Geldflüsse versiegen. Dazu ein paar Begriffe.

\"Weltbörsen\": Kasinos in großem Stil, an denen Spielsucht nicht als Krankheit angesehen wird. (Sonst müssten wir auch zugeben, dass Kranke über unsere Gelder walten, dass die Wirtschaft in den Händen von Junkies liegt.)

\"Crash\": Die Süchtigen erwachen mittellos aus ihren Gewinnräuschen und krachen. Man hört sie bis hierher. Mit Geldbeschaffungsaktionen versucht man, sie noch einmal auf die Beine zu kriegen, um eine Rezession zu verhindern.

\"Rezession\": zu spät. Firmenchefs jammern, kürzen und entlassen. Die Geldgiftler befinden sich in der depressiven Phase.

\"Zinssenkung\": eine Art Methadonprogramm für Börsianer. \"Zinssenkungsfantasie\": schöne, fiebrige Träume. (Die Aktien reagieren und steigen.)

\"Der kleine Sparer\": Das erbärmlichste Welt-Wirtschafts-Würschtl auf Gottes Erden. Hat er Geld, soll er es in Aktien investieren. Kommt der große \"Crash\", soll er es auf ein Sparbuch legen. Geht aber nicht mehr, weil es schon weg ist.

\"Geldbörse\": Vergleichsweise sicherste Geldanlage. (Vorsicht: Taschendiebe!) (Daniel Glattauer, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 26./27.1.2008 )

http://derstandard.at/?id=3198559&_range=1
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