Gerhard Roth Schriftsteller STURM Ehrenbotschafter

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Gerhard Roth Schriftsteller STURM Ehrenbotschafter

Beitrag von Ravenpride »

Kleine Zeitung hat geschrieben:1942–2022 Schriftsteller Gerhard Roth im Alter von 79 Jahren gestorben


Der Schriftsteller Gerhard Roth ist Dienstagabend im Alter von 79 Jahren an den Folgen einer schweren Krankheit in Graz gestorben. Geschrieben hat er fast bis zum letzten Atemzug, zuletzt an einem Text mit dem Titel "Die Jenseitsreise". Erinnerungen an einen Weltenbeobachter, den zeitlebens das Rätselhafte faszinierte.

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Gerhard Roth starb im Alter von 79 Jahren © Kanizaj

"Wenn ich nicht schreibe, löse ich mich in einzelne Atome auf", hat Gerhard Roth einmal gesagt. Und obwohl ihn seine Erkrankung zuletzt immer mehr belastete, blieb er mit manischer Akribie in den Labyrinthen seiner Wortwelten versunken, ordnete Fotos und Skizzen; sobald ein Buch fertig war, braute sich das nächste in ihm zusammen. Gerhard Roth mag gewusst oder gespürt haben, dass das Ende nicht mehr weit ist. Mit dem bereits vollendeten Roman "Die Imker" kehrte er zu "Landläufiger Tod" aus seinem ersten großen Zyklus zurück, damit schloss sich für ihn ein Kreis. Und ganz zum Schluss hat Gerhard Roth noch an einem Text gearbeitet und bereits mehrere Hunderte Seiten fertiggestellt. Der Titel: "Die Jenseitsreise".


Mit Gerhard Roth – der erst im Vorjahr von der Kleinen Zeitung für sein Lebenswerk geehrt wurde – verliert die deutschsprachige Literaturlandschaft einen großen, wortmächtigen und detailbesessenen Chronisten, der vor allem mit seinen beiden Zyklen "Die Archive des Schweigens" (1978–1991) und "Orkus" (1993–2011) monumentale Land-, Zeiten- und Menschenvermessungen vorgenommen hat.

Geboren wurde Roth am 24. Juni 1942 in Graz. Nach dem Willen seines Vaters, eines Arztes, studierte er ab 1961 in seiner Heimatstadt Medizin, brach jedoch 1967 ab. 1966 bis 1977 arbeitete er als Programmierer und Organisationsleiter im Grazer Computerrechenzentrum, um neben seiner literarischen Tätigkeit seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
Ab den frühen 1970er-Jahren veröffentlichte er experimentelle Prosa. Sein erster Roman trägt den Titel "die autobiografie des albert einstein". Zur gleichen Zeit wurde Gerhard Roth Mitglied im Forum Stadtpark und schloss Bekanntschaft mit Wolfgang Bauer, Peter Handke, Alfred Kolleritsch und anderen Schriftstellern und bildenden Künstlern. Mit Bauer und Kolleritsch unternahm er mehrere USA-Reisen. Gerhard Roth war seit 1995 in zweiter Ehe verheiratet mit Senta Roth und hinterlässt drei Kinder, darunter den Regisseur Thomas Roth. Er lebte in der Südweststeiermark, wo er sich für den Bau des Kulturzentrums Greith-Haus einsetzte, und in Wien. Eine große Leidenschaft galt dem Fußball, konkret und explizit in Form des SK Sturm, dessen Ehrenbotschafter er war.

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Dem Fußball, speziell dem SK Sturm, gehörte seine zweite Leidenschaft Foto © (c) BIG SHOT Foto+Film KG, Graz (Christian Jungwirth)

Leben, um darüber zu schreiben. Das war das Credo von Gerhard Roth, der wahrlich gigantische Prosa-Kathedralen errichtet hat. Alles beobachten, erfassen, beschreiben, notieren in unzähligen Notizbüchern, fotografieren auch, dann in Worte gießen. Welterforschung. Selbsterforschung. Das Große und das Kleine interessierte ihn, das Nahe und das Ferne, das Alltägliche und das Außergewöhnliche. Stilistisch passte er in keine Schublade. Seine Sprache war chirurgisch präzise, sein Ton klar. Roth schrieb Romane, Essays, Reportagen, Journale. Wie viele andere österreichische Schriftsteller hat sich auch Roth an der Nazivergangenheit dieses Landes abgearbeitet und immer wieder vor der Verschluderung des Erinnerns gewarnt. Ein weiteres wichtiges Thema war ihm der ländliche Raum, der für ihn, den vormals streng beäugten "Zugereisten", längst auch Heimat geworden ist. Eine Heimat freilich, an der er sich ebenso voll Leidenschaft rieb, die Veränderungen beschrieb und den Verlust der ländlichen Identität.

Gerhard Roth hob das Dunkle, den tatsächlichen oder vermeintlichen Irrsinn in die lichten Höhen der Literatur. „Solange ich denken kann, zog mich das Unglück an – der Tod, der Selbstmord, das Verbrechen, der Hass, der Wahnsinn. Was diese Eigenschaft betrifft, bin ich nie erwachsen geworden, denn ich gebe noch immer meiner Neugierde nach", schreibt er im Roman "Orkus" aus dem gleichnamigen Zyklus. Auch das Rätselhafte hat ihn zeitlebens fasziniert. "Rätsel können gelöst werden. Aber das Rätselhafte bleibt."

Zuletzt hat Gerhard Roth ein "Venedig-Triptychon" veröffentlicht, drei "Verbrechensromane", in denen er tief in Venedig, eine seiner Lebensstädte, eintauchte, in diese mystische Aura der Masken und des Tarnens und Täuschens. Sein ureigenstes Metier. Die Suche nach dem Paradies zieht sich wie ein roter Faden durch diese Bücher. "Das Paradies ist natürlich eine Fälschung. Aber ohne diese Fälschung können wir nicht leben."

Wir durften ihn begleiten, als Gerhard Roth 2019 das letzte Mal diese Stadt aufsuchte. Es war ein Abschied für immer, das wusste er. "Und ich bin sehr unbegabt im Abschiednehmen." Wir sind noch einmal die Schauplätze seiner Bücher abgegangen, durch die Calle della Morte spaziert, haben die Insel San Servolo besucht. Dort zeigte sich noch einmal die Hartnäckigkeit des manischen Faktensuchers. Gerhard Roth war überzeugt, dass sich auf der Insel ein Friedhof befindet, auf dem die Insassen einer "Irrenanstalt" verscharrt wurden. Das wurde von den Behörden vehement verneint. Doch Roth insistierte so lange, bis ein Anruf beim Bürgermeisteramt schließlich Gewissheit brachte. Den Friedhof gibt es tatsächlich, die Gräber sind längst überwuchert und vergessen. Doch Roth hatte recht.

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Mit Ehefrau Senta Foto © (c) Gery Wolf

Gerhard Roth hat in Leben und Werk viele Fragen gestellt; im Wissen, dass sie unbeantwortet bleiben werden. Gerne hat er in Gesprächen aus der (Kriegs-)Geschichte "Brewsie and Willie" von Gertrude Stein zitiert. Zwei Soldaten versuchen eine Erklärung zu finden für all das Schreckliche, das ihnen und anderen widerfährt. Da sagt einer der Soldaten, "der Intelligentere", wie Roth stets betonte an dieser Stelle, Folgendes: "Es gibt keine Antwort. Es wird nie eine Antwort geben. Es hat nie eine Antwort gegeben. Das ist die Antwort."
Gerhard Roth hatte keine Angst vor dem Tod. "Ich lebe, solange es geht, und wenn es nicht mehr geht, dann ist es vorbei", sagte er im letzten Interview, das wir mit ihm führten. Leben war für ihn Schreiben. Schreiben war für ihn Leben. Seinem Roman "Orkus – Reise zu den Toten" ist ein "Aphorismus zur Lebensweisheit" von Arthur Schopenhauer vorangestellt: "Sonst wollte ich zeigen, wie sich an das Ende der Anfang knüpft, wie nämlich der Eros mit dem Tode in einem geheimen Zusammenhang steht, vermöge dessen der Orkus also nicht nur der Nehmende, sondern auch der Gebende und der Tod das große Reservoir des Lebens ist. Daher also, daher, aus dem Orkus, kommt alles, und dort ist schon jedes gewesen, das jetzt Leben hat."

Gerhard Roth ist tot, möge ihn seine Jenseitsreise in dieses große Reservoir des Lebens führen.
Reaktion des steirischen Landeshauptmanns Hermann Schützenhöfer

Der steirische LH Schützenhöfer reagierte tief betroffen auf die Nachricht des Ablebens: "Ich war mit Gerhard Roth durch eine enge Freundschaft verbunden, auch wenn ich seine politischen Ansichten nicht immer teilte", so Schützenhöfer, "aber wir haben wie gute Brüder im Liebenauer Stadion gezittert und gejubelt. Obwohl wir um seine schwere Krankheit wussten, konnten wir mit Gerhard und seiner Gattin Senta, die ihm Tag und Nacht zur Seite stand, noch knapp vor Weihnachten in seinem geliebten Haus in St. Ulrich ein gutes und fröhliches Gespräch im kleinen Freundeskreis führen. Die Steiermark verliert einen sorgfältigst Wahrnehmenden und literarisch Schenkenden, dem wir Beschenkte zu großem Dank verpflichtet sind. Ich verneige mich vor einem großen Literaten und liebevollen Betrachter der Menschen."

R.I.P :sad:
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Beitrag von Ravenpride »

SK STURM hat geschrieben:Gerhard Roth ist nicht mehr

Dem großen Literaten und Sturm-Botschafter Gerhard Roth zum Gedenken

Am 24. Juni 2022 hätte er seinen Achtziger gefeiert. Am Abend des 8. Februar hat Gerhard Roth, einer der bekanntesten Autoren des deutschen Sprachraums der Gegenwart, seine Feder, die er bis zuletzt als „ein vom Schreiben Besessener“ unermüdlich in Händen hielt, für immer abgelegt.

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Die Sturmbotschafter Gerhard Roth und Gernot Kulis.

Der Sturmbotschafter
Sein unglaubliches Wissen, sein Intellekt und sein so liebenswertes Wesen sind nun in seinen Werken und in der Erinnerung der Menschen, die in kannten, eingebettet. Bis zum vergangenen Herbst war Gerhard Roth, seit 2017 der offizielle Sturmbotschafter, gemeinsam mit seiner Frau Senta – soweit es Corona und die eigene Gesundheit zuließ – bei allen Sturmspielen in Liebenau dabei. Sein analytisches, messerscharfes Auge zerlegte jedes Spiel bis ins Detail und noch tagelang beschäftigte er sich mit dem Match und seinem Verlauf, diskutierte intensiv mit Sturm-Präsident Christian Jauk über Positiva und Negativa. Und er konnte bis zuletzt wie in Kinder- und Jugendzeiten über Sturmsiege begeistert jubeln.

Gruabn als Heimat
Roth wurde am 24. Juni 1942 in Graz geboren und ist seit dem ersten Besuch eines Sturm-Spieles mit den Schwarzweißen eng verbunden: Als Achtjähriger besuchte Roth am 3. September 1950 – im zweiten Staatsligajahr – das Spiel Sturm Graz gegen Wiener Neustadt, das die Grazer mit 9:0 Toren für sich entscheiden konnten, gemeinsam mit seinem Vater, einem Arzt und seinem Großvater, einem Glasbläser. Der Kampfgeist der Schwarzweißen und das fanatische, volkstümliche und erdige Publikum begeisterten ihn sofort. Der Stehplatz auf der Nordseite der gedeckten Gruabn-Tribüne wurde ihm zuerst mit dem Vater, dann mit Freunden zur Heimat. Roth war dann auch kurz im Sturm-Nachwuchs aktiv tätig, später beim Bezirksnachbarn Grazer Sportklub.

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Enge Freunde: Gerhard Roth und Ivan Osim.

Literarische Zuneigung
Immer wieder floss die Zuneigung zu Sturm auch in seine literarische Arbeit ein, so widmete er etwa im Roman „Das Alphabet der Zeit“ Sturm Graz ein ganzes Kapitel. Gerhard Roth verfasste im Sturm-Jubiläumsjahr 2009 eine vielbeachtete Laudatio über den Jahrhunderttrainer Ivica Osim, die er bei der Feier im Jänner 2009 in der List-Halle vortrug und steuerte wertvolle Beiträge für das Jubiläumsbuch „Wir sind Sturm“ bei. Über Interviews oder Texte war er auch immer wieder im Vereinsmagazin „SturmEcho“ präsent. Ebendort veröffentlichte er exklusiv eine langes Interview aus Anlass seines ganz persönlichen Jubiläums „70 Jahre Sturm Graz-Fan“.
Möglich gemacht hat das die Freundschaft mit „SturmEcho“-Chefredakteur Herbert Troger und dessen Stellvertreter Martin Behr, der Roth auch bei dessen Fotobüchern und Fotoausstellungen hilfreich zur Seite stehen konnte. In der Ausstellung „Jahrhundertsturm“ im Grazer Künstlerhaus (2009) war Roth mit einer Hörstation und einem handgeschriebenen Manuskript präsent.

Teletext als erster “Liveticker“
Die Spiele von Sturm Graz verfolgte der Künstler und passionierte Fotograf entweder live in der UPC-Arena oder vor dem TV-Gerät. Bevor er ein „Sky“-Abo abgeschlossen hatte, schaltete er bei Auswärtsspielen den ORF-Teletext ein oder beobachtete mit Argusaugen einen Live-Ticker. Die Sympathien für Sturm sind in seiner Familie weit verbreitet: Unter anderem drücken Gattin Senta, Sohn Thomas Roth – ein bekannter Film- und Fernsehregisseur – oder seine Enkelkinder Simon und Elias den Schwarzweißen bei Heim- und Auswärtsspielen die Daumen.

Mitglied im Forum Stadtpark
Der Träger zahlreicher Auszeichnungen wurde mit Werken wie „Der stille Ozean“, „Landläufiger Tod“ oder „Im tiefen Österreich“ einer breiten Öffentlichkeit bekannt. Zentrale Elemente seiner literarischen Arbeit sind die Romanzyklen „Die Archive des Schweigens“ und „Orkus“ (beide siebenteilig). Zahlreiche Romane, Essays, Theaterstücke und Fotobände entstanden ab 1970. Zuerst Medizinstudent, dann im Institut für Elektronenmikroskopie (Rechenzentrum Graz) als Operator, Organisator und an der Wiege der elektronischen Datenverarbeitung tätig, wurde er 1972 Mitglied des legendären Forum Stadtpark, wo er im Umfeld von Wolfgang Bauer, Peter Handke, H.C, Artmann und Alfred Kolleritsch agierte.

Freund und Sturmfan Günter Brus
Der dreifache Vater fand 1976 in seiner Senta eine Wegbegleiterin, die ihn bis zur letzten Stunde als Ehefrau und künstlerische Begleiterin aber auch bei den Sturmspielen zur Seite stand. Gemeinsam mit ihr siedelte er sich als freier Schriftsteller in Obergreith, Kopreinigg, in der Südsteiermark an und engagierte sich für den Bau des heute anerkannten Kunst- und Kulturzentrums „Greith-Haus“. Der Erzähler, Dramatiker und Essayist lebte abwechselnd in der Südsteiermark und in Wien in der Nähe des Musikvereins. Die hügelige, noch verträumte Südsteiermark, Wien mit all den Facetten der Metropole und seine vielen Reisen boten ihm den Stoff für seine Werke. Sein Freund, der Künstler und ebenfalls Sturmfan Günter Brus, illustrierte einige seiner Bücher.

Viele große Auszeichnungen
Roth war aber auch Drehbuchautor: „Der stille Ozean“ – eine Beschreibung der verschlafenen Südsteiermark der 1960er Jahre – wurde von Xaver Schwarzenegger verfilmt, der zweite Band der „Archive des Schweigens“ wurde mit dem Berliner Silbernen Bären ausgezeichnet. Michael Schottenberg verfilmte den „Landläufigen Tod“, Sohn Thomas Roth unter anderem den Kriminalroman „Der See“ aus dem Zyklus „Orkus“. Seine zahlreichen Fotobücher – das letzte erschien 2020 über seine Lieblingsstadt Venedig – zeugen von einer ganz eigenen Art, die Welt zu sehen, die Fotografien dienten oft auch als optische Notizen für seine Romane. An Ehrungen und Auszeichnungen ist Gerhard Roth, unser Sturm-Botschafter, wahrlich reich: angefangen vom Berliner Silbernen Bären über den Romy-Fernsehpreis für das beste Drehbuch, den Bruno-Kreisky-Preis, dem Alfred-Döblin-Preis, dem Großen Goldenen Ehrenzeichen des Landes Steiermark, dem Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um das Land Wien bis zur Torberg-Medaille und dem Großen Österreichischen Staatspreis, über den er sich 2016 so sehr freute.

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Gerhard Roth und Bischof Wilhelm Krautwaschl, zwei echte Sturmfans.

Unter dem Nussbaum
Bis zuletzt arbeitete Gerhard Roth intensiv an der Fertigstellung eines neuen Romans, an einem neuen Fotoband und an seinem Herzensprojekt, dem Kulturhaus Greith in der Südsteiermark. Dort, wo er viele Jahre den Sommer und zuletzt sein ganzes Leben gemeinsam mit seiner Senta verbrachte, fand er unter einem riesigen Nussbaum oder in der gemütlichen Stub’n seine kreativen Inspirationen.

SMS aus dem Spitalsbett
Sein unerwarteter Tod reißt eine Riesenlücke – in seiner Familie, im Kreis seiner Freundinnen und Freude, Verehrerinnen und Verehrer, in der heimischen und gesamtdeutschen Literatur und auch in unserem SK Sturm, wo er der Botschafter schlechthin, eine Ikone und ein Vereinskenner wie kaum ein anderer war. Gerhard Roth war von Sturm Graz seit seiner Kindheit beseelt, mit viel Leidenschaft, Herzblut und großem fußballerischem Wissen verfolgte er die Geschicke seines Lieblingsvereins bis kurz vor seinem Tode. Noch aus dem Spital schickte Roth eine SMS: „Ich freu‘ mich auf Höjlund, den Höllenhund!“ Mit seiner hünenhaften Gestalt war er eine imposante Erscheinung, an der keiner vorbeikonnte und wollte. Wenn er mit seiner Senta gemeinsam mit Ivica und Asima Osim auf der Tribüne ein Sturmspiel verfolgte, da ging einem das Herz auf.

Präsident Christian Jauk gedenkt:
„Gerhard Roth hat Sturm gelebt. Er hat mir immer vermittelt, dass Sturm mehr ist als ein Fußballverein. Das war die Basis unserer langjährigen Freundschaft. Ich habe ihn sehr verehrt, denn Gerhard war nicht nur ein großer Künstler, er war ein beeindruckender Mensch und ein großer Schwarzer, der mehr als sieben Jahrzehnte über alle Höhen und Tiefen hinweg mit unserem SK Sturm jubelte, zitterte, sich freute und sorgte. Wir sind stolz, dass er einer von uns war. Unser tiefstes Beileid gilt seiner Familie, insbesondere seiner Frau Senta, die ihn in all den Jahren immer zu den Sturmspielen begleitete.“


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Präsident Christian Jauk, hier mit dem ehemaligen Teamchef Marcel Koller, trauert um Sturm-Ikone Gerhard Roth.

Gerhard, lebe Wohl und spiele nun im Gruabn-Himmel mit deinen einstigen Lieblingen Gigerl, Lobenhofer, Durek, Niederkirchner, Decker, Lamot, Wolf, Kaltenegger und Co. die Spiele deiner Jugend. Wir alle vermissen dich unglaublich, in unseren Köpfen und Herzen hast Du für immer einen Ehrenplatz!

Text: Martin Behr & Herbert Troger
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Beitrag von Ravenpride »

Elke Kahr hat geschrieben:Gerhard Roth ist gestern Abend verstorben.
Durch den Tod aus der Mitte seiner Lieben gerissen bleibt Gerhard Roth im Gedenken lebendig. Mein tief empfundenes Beileid gilt Gerhard Roths Familie, inbesondere seiner Frau Senta Roth. Mit Gerhard Roth verliert nicht nur Graz, sondern Österreich einen wichtigen Schriftsteller, Fotografen und Kulturförderer. In Graz geboren und aufgewachsen war er auch Mitglied des Forum Stadtpark, als dieses dazu ansetzte, die Grazer Kulturlandschaft an die Gegenwart heranzuführen. Gerhards Roths poetische Prosa ist ein Versinken, ein Eintauchen in eine magische Welt, auf einer beständigen Suche das Menschliche zu beschreiben. Gerhard Roth war ein stets kritischer Beobachter der Politik, der Geschichte und der Zeitgeschichte. Exemplarisch für Roths unverklärte Sicht auf die Menschheit sei mir dieses Zitat erlaubt: "Die österreichische Geschichte ist eine gewalttätige, vielleicht die Geschichte überhaupt, nur daß alles verklärt und geschönt wird, und immer sind, in jedem Krieg, die anderen die Angreifer, die Barbaren." Auch als Kulturförderer wird Gerhard Roth in unserem Gedächtnis bleiben. Seiner Idee und Überzeugungskraft ist es zu danken, dass im Jahr 2000 das Greith-Haus als Kulturhaus in St. Ulrich im Greith eröffnet werden konnte. Neben Gerhard Roths Werken zeugen auch zahlreiche Auszeichnungen nicht nur als Romanautor, sondern auch als Drehbuchautor und als Publizist von Gerhard Roths Bedeutung. Die Stadt Graz wird der Person Gerhard Roths stets ein ehrendes Angedenken bewahren.
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Beitrag von Ravenpride »

Sturmnetz.at hat geschrieben:In Memoriam Gerhard Roth
„Ein Sturmanhänger ist treu, zugleich Realist und Träumer, verrückt und bodenständig“

Von Günter Kolb · 8. Februar 2022 22:30
Geschätzte Lesezeit: 11 Minuten, 47 Sekunden

Einer der bedeutendsten zeitgenössischen deutschsprachigen Schriftsteller, der gebürtige Grazer Gerhard Roth, ist am Abend des 8. Februar verstorben. Der unermüdliche „Fußballnarr“ bezeichnete sich selbst stets als „ein vom Schreiben im besten Sinne Besessener“. Im Mittelpunkt vieler seiner Romane stand der sich vergeblich abmühende Held, dem die Welt als ein quälender und nicht haltbarer Zustand erscheint. Er war aber auch sieben Jahrzehnte lang ein leidenschaftlicher Sturm-Anhänger und ließ sich fast kein Heimspiel seiner Blackys entgehen. Neben seinen zahlreichen Auszeichnungen als Schriftsteller wurde er 2017 auch zum Sturmbotschafter ernannt, bereitete den Fußballklub Sportklub Sturm immer wieder künstlerisch auf und war ein enger Wegbegleiter von Ivica Osim. Besonders ehrte es uns stets, dass er bei Auswärtsspielen seines Herzensvereins unseren Liveticker minutiös verfolgte. Noch vom Spitalsbett aus schickte Roth dem Verein eine SMS, in der er meinte, „er freue sich auf Höjlund, den Höllenhund“. Im Dezember 2017 haben wir mit Gerhard Roth für eine Interview-Reihe über seine Sozialisation zum Sturmfan, über innerfamiliäre Derbys, legendäre Schlachten, einer fiktiven Startelf mit poetischen Zügen, warum er Günter Kreissl voll und ganz vertraut und noch viel mehr gesprochen. Dieses Gespräch wollen wir im Gedenken an den großen Künstler an dieser Stelle neu veröffentlichen.

Herr Roth, Sie sind 1950 das erste Mal auf den Sturmplatz gegangen – aus Gösting kommend, am eigentlich viel näher an Ihrem Geburtshaus liegenden GAK-Platz vorbei. Wie sind Sie eigentlich als Kind zum Anhänger des Sportklub Sturm sozialisiert worden?

Mein Großvater – ursprünglich ein Glasbläser, dann Glasmacher – der schon als Kind in Tag- und Nachtschichten hatte arbeiten müssen und deshalb nur vier Klassen Volksschule besuchen konnte – war ein Sozialdemokrat und Sturm-Anhänger. Der GAK war für ihn ein Verein der „Reichen“, der Akademiker, Hofräte und Geschäftsleute, die auf die Arbeiter herabsahen. Auch hatte sich der GAK bereits vor der Zeit des Nationalsozialismus aus rassistischen Gründen geweigert, gegen den jüdischen Klub Hakoah anzutreten. Das Publikum in der Körösistraße war für ihn zudem auf „entwaffnende Art ordinär“ gewesen. Es habe auf Hochdeutsch ihnen unliebsame, gegnerische Spieler als „Proleten“ und „Saujuden“ beschimpft. Übrigens hat der GAK bis heute seine Vergangenheit nie aufgearbeitet, Sturm mittlerweile schon… Dieser Großvater hat mich zusammen mit meinem Vater, den er bereits zum Sturm-Anhänger gemacht hatte, mit acht Jahren auf den Grazer Sportklubplatz – gegenüber der Messe – mitgenommen. Der Sturm-Platz war zu dieser Zeit gerade gesperrt. Sturm besiegte Wiener Neustadt mit 9:0, fünf Tore erzielte dabei allein Durek. Es war gerade eine Phase, in der ich die „Erwachsenenwelt“ kennen lernen wollte. Zu meinem Vater, einem Arzt, kamen in Gösting zahlreiche Patienten in „unser“ Haus, welches auch als Praxis diente. Darunter viele Alkoholiker, Invalide, geistig Behinderte und „Raufer“ mit ziemlich schlimmen Verletzungen. Es war die Nachkriegszeit, in der nach der Dunkelheit des Nationalsozialismus und Krieges allmählich die Morgendämmerung anbrach. Alles sprach nur vom eigenen Elend. Ich fragte mich, was bloß mit den Erwachsenen los sei. In der Gruabn fand ich viele Antworten. Besonders hinsichtlich Aggressionen und Begeisterung des Publikums. Explodierende Stimmung und Freude, aber auch Wut, Streit und mitunter bedrohliche Gewaltausbrüche, die mich irritierten. Doch war es jedes Mal für mich ein Abenteuer, dabei zu sein. Gleichermaßen aber auch eine Befreiung von Kindesängsten, die aus Erfahrungsmangel entstehen. Da mein Großvater ja Arbeiter war und eine große Anzahl an Geschwistern hatte, hielt ich mich fast nur unter „einfachen“ Leuten auf. Heute bin ich froh darüber, denn ich habe dadurch erfahren, dass mir jeder von ihnen in gewissen Dingen überlegen war.

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Ist Ihrem Großvater diese schwarz-weiße Sozialisation bei allen seinen Nachfahren geglückt?

Mein älterer Bruder Paul bevorzugte trotz allem den GAK. Wir gerieten uns jedoch nur vor, während und nach einem Derby in die Haare. Oft gingen wir auch zu den Spielen beider Vereine. Ich lernte allmählich, dass mein Bruder und ich die selbe Krankheit – nur mit unterschiedlichem Ausschlag – hatten. Er einen roten, ich einen schwarzen Ausschlag auf der weißen Haut. Aber das Fieber vor einem Match, die Unruhe beim Spiel selbst und die Reaktionen nach einem Spiel waren dieselben. Besonders einen Feind hatten wir gemeinsam – die Schiedsrichter. Sie protegierten, wie auch heute noch, gerne die großen Wiener Vereine. Das Foul eines Sturm-Spielers war etwas ganz anderes als das eines Spielers von einem Wiener Großverein. Besonders deutlich wurde das bei Elfmetern. Wenn wir vorne lagen, mussten wir immer mit einem Penalty gegen Sturm rechnen. Auch heute noch kann sich ein Schiedsrichter aufführen, wie zuletzt Manuel Schüttengruber, im Spiel der Wiener Austria gegen Sturm. Bei einem brutalen Foul eines Austria-Spielers an Linksaußen Thorsten Röcher, das vor seinen Augen passierte, sah er nichts, was ihn wenigstens zu einer Gelben Karte greifen hätte lassen. Und auch nicht das Hands eines Austria-Spielers im eigenen Strafraum. Ich will keine Stimmung gegen die Wiener Vereine machen, ich lehne auch die Beschimpfungen „Wiener Schweine“ oder „Bullenschweine“ unseres großartigen Nordkurvenchors ab. Die Wiener und Salzburger Fans, haben – wie schon mein Bruder – dieselbe Krankheit wie wir, nur eine andere Farbe des Ausschlags.

Hass hat nichts mit Fußball zu tun. Hass ist immer Schwäche.

Sie haben diesbezüglich in Graz ja auch schon einmal schlechte Erfahrungen gemacht.

Vor ein paar Jahren, nach einem Match gegen die Wiener Austria, wurde mein Auto mit Wiener Kennzeichen – ich lebte und arbeitete jahrelang in der Bundeshauptstadt, fuhr aber zu jedem Heimspiel nach Graz – angehalten und ein paar Sturm-Fans pöbelten mich an. Ich stieg ziemlich sauer aus, aber es wurde gleich drauf wieder friedlich.

Es gibt wohl bis heute nichts, was Sie von einem Besuch eines Heimspiels abhalten würde?

Noch heute bin ich ein Sturm-Anhänger, der nach Möglichkeit kein Heimspiel versäumt. Wenn sich ein Besuch im Stadion nicht ausgeht, ich keinen Freund erreichen kann, Sky irgendwo im Himmel versickert oder auch SturmNetz hinter Wolken versteckt ist, versuche ich zumindest via Teletext am Laufenden zu sein.

Viele weitere Protagonisten des Forum Stadtpark, einer Grazer-Künstlergemeinschaft, der auch sie entstammen – wie beispielsweise ein Peter Handke oder ein Wolfgang Bauer – hatten bzw. haben allerdings eine Leidenschaft für den Fußball. Eher ungewöhnlich, galt doch das gesamte Ballesterern in der Nachkriegszeit eher als Sport für den kleinen Mann.

Sowohl Pier Paolo Pasolini als auch Albert Camus spielten Fußball. Wir sahen Fotografien von ihnen in Dressen. Als wir davon erfuhren, war das wie eine Bestätigung der eigenen Erfahrung.

Peter Handkes literarisches Ready Made „Die Aufstellung des 1. FC Nürnberg 1968“ zeigt eine Startelf, die ohne inhaltlich verändert worden zu sein, zum Gedicht umfunktioniert wurde. Inwiefern ist eine Aufstellung einer Fußballmannschaft auch Poesie?

Allmählich verwandeln sich die meisten Erinnerungen in Poesie – himmlische oder höllische, das ist auch bei den Namen von Spielern der Fall. Handke ist mit dieser Aufstellung ein echtes Sprachkunststück gelungen.

Wenn Sie eine Aufstellung mit ehemaligen Sturmspielern mit poetischen Zügen basteln müssten, wie würde diese aussehen?

Ich nehme sprechende Namen: Sauruck im Tor, Standfest, Russ, Schilcher, Gigerl in der Verteidigung, Schuh, Rauch im Mittelfeld sowie Stumpf, Kaiser, Klug und Haas im Sturm. Auf die Bank würde ich Gratzei, Wolf, Theuerweckl, Niederkirchner, Fuchs und Kaltenegger setzen.

Hat der Sportklub Sturm Sie in Ihrem bisherigen literarischen Schaffen schon des Öfteren beeinflusst?

Ich liebe Shakespeares Theaterstück „Sturm“. Weil ich bei Sturm in der Gruabn vieles fand, was auch bei Shakespeares Dramen vorkommt: Magie, Spannung, Verschwörung, Überraschendes, Glück, Unglück, später auch Intrigen, Täuschung und List. Fußballvereine, Funktionäre, Spieler, Schiedsrichter, aber auch Journalisten und Zuschauer sind – alle zusammen – ein Lebensgleichnis. Es gibt auf dem Spielfeld Ungerechtigkeiten, Glück, Unglück, Begeisterung, Niedergeschlagenheit, Hoffnung. Das ist mir als Schüler und Student immer klarer geworden und hat die Faszination nur noch vergrößert. Fußball hat außerdem meine Phantasie angeregt. In den ersten zwei Klassen in der Mittelschule, die ich – bevor wir von Gösting weggezogen sind – im Kepler-Gymnasium verbrachte, hatte ich den Fußweg vom Geidorfgürtel zum Glacis bis zur 2er-Haltestelle am Stadtparkrand und weiter vom Mühlgang bis zur Schule zu absolvieren. Da wir auch Nachmittags-Unterricht hatten, war es im Spätherbst sowie im Winter und zu Frühlingsbeginn auf dem Heimweg oft schon dunkel. Daher vertrieb ich mir die Zeit, indem ich beim Gehen an Sturm-Spiele dachte, die verloren gegangen waren und die ich als fiktiver Radioreporter des ORF übertrug. Ich sah die Gruabn vor mir und in meinem Kopf siegte immer Sturm und sei es erst durch Tore, die ich erfand. Manchmal, wenn dies nicht gelingen wollte, war ich plötzlich selbst ein Sturm-Spieler und rettete als Tormann mit Paraden unhaltbare Schüsse oder erzielte als Stürmer sogar den Ausgleich und das Siegestor. Das Publikum in mir raste und ich genoss die von mir erfundene Liebe, die mir entgegenströmte. Manchmal, wenn ich als Reporter zu laut mit mir selbst sprach, erregte ich sogar die Aufmerksamkeit von anderen Fußgängern, woraufhin ich davonlief. Ich war wirklich durch und durch ein Fußballnarr von Sturm.

Wie würden Sie einen echten Sturm-Anhänger charakterisieren?

Mein langjähriger Freund Peter Fritsche war ein „echter“ Sturm-Anhänger. Er hatte das Sturm-Gen. Wir waren so um die Mitte 20, Sturm spielte damals entweder gegen den Abstieg oder um den Aufstieg und wir ließen kein Spiel aus. Sowohl Peter als auch ich waren vor jedem Spiel abergläubisch. Einmal gingen wir beispielsweise ohne Armbanduhr zum Spiel, weil wir das vorherige mit den Uhren an unseren Handgelenken verloren hatten. Zu Beginn der Herbstmeisterschaft, in einer Saison, in der wir um den Wiederaufstieg kämpften, trug Peter einen braunen Sommeranzug. Er nahm sich vor, diesen Anzug so lange zu tragen, bis wir einmal verlieren würden. Und siehe da, Sturm verlor kein Spiel. Da Peter – auch als es kühl und kalt wurde – die Matches weiterhin aus Aberglauben im Sommeranzug verfolgte, fing er an, sich so gut es ging auf der Stehplatztribüne zu bewegen, um durchzuhalten. Erst bei einem 2:2 gegen St. Valentin im winterlichen Graz – die Linienrichter liefen damals in der Gruabn wie auf einem Seil zwischen den Schneehaufen und der Zuschauertribüne hin und her – entschloss sich mein Freund, auch im Ärger über den Punkteverlust, sich zukünftig wieder warm anzuziehen, wenn er das nächste Mal die Gruabn besuchen würde.

Hat Peter danach auf andere Rituale zurückgegriffen?

Ja. Peter hatte einen weiteren Trumpf im Ärmel. Eine Pfeife, die immer gestopft war und die er bei jedem Elfmeter oder Freistoß in Strafraumnähe anzündete. Immer wieder gab es Erfolgserlebnisse. Das Unvergesslichste war nach dem Wiederaufstieg beim Spiel gegen den GAK in der Körösistraße. Nach ungefähr einer halben Stunde gab es für Sturm einen Freistoß an der Strafraumgrenze. Peter zündete die Pfeife an und „Granatenfredl“ Murlasits traf ins Kreuzeck. Wir umarmten uns und stießen Freudenschreie aus. Die GAK-Fans betrachteten uns leicht pikiert, darunter auch ein Bekannter von Peter. Es kam zu einem heftigen Streit, dann riss dieser Bekannte Fritsche wütend die Pfeife aus der Hand und warf sie auf die Laufbahn. Wir überlegten, wie wir die Pfeife wieder an uns bringen könnten. Unten lief gerade ein Eisverkäufer mit weißer Schürze und weißer Haube vorbei, den alle nur – nach dem Olympiasieger im 10.000-Meter-Lauf – „Zatopek“ nannten und der immer wieder den selben Spruch rief: „Eis, Eis, Eis – macht die Liebe heiß!“ Auf den Unterarmen trug er den Behälter mit den Eislutschern. Er bückte sich rasch, hob die Pfeife auf, steckte sie ein und eilte davon. Alle Zurufe waren vergebens. Auch als sich Zatopek einmal auf den Sturm-Platz verirrte und Fritsche ihn anschrie, er möge ihm die Pfeife zurückgeben, machte er sich blitzschnell aus dem Staub. Zumindest das Auswärtsspiel gegen den GAK konnten wir dank der Zauberpfeife noch gewinnen: Reisinger erzielte kurz vor Schluss noch das 2:0 und es war der erste Sturm-Sieg in der Staatsliga A am GAK-Platz.

Und wenn man den Sturmfan generell mit ein paar Wörtern beschreiben müsste?

Ein Sturm-Anhänger hat auf alle Fälle das Sturm-Gen: Er ist treu, zugleich Realist und Träumer, verrückt und bodenständig.

In Ihrem neuesten Werk, „Die Irrfahrt des Michael Aldrian“, ist Ihnen – so Kritiker – etwas gelungen, was Sie schon immer für lebenswichtig hielten: Ein Stück Pubertät ins weitere Dasein hinüberzuretten, um nicht schon vor dem Tod zu sterben. Ist das mit dem Dasein eines lebenslangen Fußballfans ähnlich?

Der Psychiater und Autor Michael Lehhofer hat einem gemeinsamen Freund gesagt, ich führte bei einem Fußballspiel von Sturm das Kind in mir spazieren. Dazu kann ich nur nachdenklich nicken.

Ihre Freundschaft zu Ivica Osim ist allseits bekannt, daher erübrigt sich die Frage, welche Persönlichkeit aus der langen Sturm-Historie Sie am meisten fasziniert hat. Gab es mit anderen Sturm-Protagonisten ähnlich intensive Berührungspunkte?

Viele Jahre lang habe ich die Sturm-Spieler und Sturm-Trainer ausschließlich von Weitem gesehen. Nur Otto Mühlbauer begegnete ich hin und wieder, weil er nicht weit von uns wohnte und ein Patient meines Vaters war. Näher bekannt wurde ich erst mit Walter Fuchs, dem eisernen Friedensrichter im Mittelfeld, der den Gegnern ihre Härte „abkaufte“. Wir verehrten ihn, weil er nach jedem schweren Foul an einen Sturm-Spieler „mit gleicher Münze“ zurückzahlte. Er war eine unermüdliche Kampfmaschine. Fritsche und ich trafen ihn öfters zufällig im ehemaligen Steirerhof am Jakominiplatz. Wir tranken mit ihm Bier, fragten ihn aus und hörten andächtig zu. Auch zu Robert Kaiser gab es Kontakt: Der begeisternde Mittelstürmer, mit dem wir unter Trainer Gerdi Springer einmal zu Hause in einem unvergesslichen Spiel gegen die Wiener Austria mit 6:3 gewinnen konnten, hatte plötzlich Ladehemmung. Das ging einige Zeit so dahin. Eines Tages stand in der Zeitung, dass Kaiser krankheitsbedingt im Hansa-Sanatorium liege. Fritsche und ich fuhren spontan hin. Der Stürmer erzählte uns, dass er in zwei Tagen entlassen würde und bereits am Wochenende wieder spielen könne. Rasch kam die Sprache auf sein Formtief und ich riet ihm ernsthaft, die alten Socken und Stutzen wegzuwerfen und sich neue zu besorgen. Er tat es und tatsächlich schoss er mit ihnen im nächsten Heimspiel das 1:0. Vor Freude lief Kaiser zur Stehplatztribüne, weil wir ihm im Sanatorium erzählt hatten, dass dies unser Stammplatz sei und winkte uns zu.

Vor allem wegen Ivica Osim hat Wolfgang Bauer die Farben gewechselt.

Für Sie unvergessen, glauben Sie, kann sich Kaiser auch noch an diese Schnurre erinnern?

Anlässlich der 100 Jahre-Sturm-Graz-Feier traf ich Robert Kaiser in einem Restaurant, sprach ihn darauf an und er konnte sich zu meiner Freude noch gut an diese Geschichte erinnern. Da fällt mir auch noch die Geschichte mit Fritz Gigerl ein, einem großgewachsenen Verteidiger, der von Austria Graz gekommen ist. Im November 1951 fuhren mein Vater und ich mit dem Anhängerklub zum Auswärtsspiel in Kapfenberg. In der 51. Minute gab es auf Höhe der Mittelline ein schweres Foul an einem Sturm-Spieler und der gesamte Auswärtsblock schrie sofort:“Gigerl, Gigerl!“ Fritz Gigerl, der einen gefürchteten scharfen Schuss hatte, richtete sich den Ball her, während sich Kapfenberg-Goalie Matschek demonstrativ an den Torpfosten lehnte und die Arme verschränkte. Doch da war der Ball schon unterwegs und ehe es der Torhüter begriff, schlug er wie ein Meteor unter der Latte ein. Dass dieser Treffer den Umschwung im Spiel einleitete, wir noch mit 3:2 gewinnen konnten, verleiht dieser Episode das Siegel der Unvergesslichkeit. Ich traf Gigerl nach Jahren noch öfter in Begleitung seines Enkelkindes in der Herrengasse und wir sprachen immer über diesen Freistoßtreffer. Aber auch über einen verschossen Elfmeter im Heimspiel gegen die Admira und weitere Episoden, die sich mir eingeprägt hatten.

Eine besondere Freundschaft besteht ja auch zwischen Ihnen und Hans Rinner.

Nachdem ich fast 60 Jahre bezahlender Sturm-Anhänger war, lud er mich – als er noch Sturm-Präsident war – regelmäßig in das Stadion ein. Schon der damalige Landesrat Hirschmann hatte Wolfgang Bauer und mich einmal als Geburtstagsgeschenk ein Jahr lang in die VIP-Lounge eingeladen. Bauer war ja langjähriger GAK-Anhänger, aber unter Osim und vor allem wegen Osim hat Wolfi die Farben gewechselt. Von da an hat er immer abgestritten, jemals GAK-Anhänger gewesen zu sein.

Jener Ivica Osim hat einmal gesagt: „Ein Menschenleben ist zu lang, um optimistisch zu sein.“ Sie verfolgen die Geschehnisse rund um den Sportklub Sturm schon beinahe sieben Jahrzehnte, vor Osim war die Geschichte des Klubs eine über ewige Niederlagen oder knappes Scheitern. 87 Jahre alt musste der Verein werden, um den ersten nationalen Titel einfahren zu dürfen. Geht man mit dieser Erfahrung automatisch davon aus, dass auch in dieser Saison im Frühjahr ein Rückfall eintreten wird?

Wir erleben derzeit eine sehr gute Phase. Christian Jauk hat sich als Präsident von seiner Gutmütigkeit – die ihm viel Undank eingebracht hat – befreit und ist unersetzlich geworden. Gemeinsam mit Hans Rinner, Franco Foda, Hans Fedl und einigen anderen Persönlichkeiten hat er Sturm in der großen Krise gerettet. Jauk ist ein intelligenter Mensch, der Vertrauen braucht, um seine Möglichkeiten voll und ganz auszuschöpfen. Vor allem hat er den besten Sportdirektor Österreichs engagiert. Günter Kreissl ist penibel, genial, einer der das Fußballgetriebe durchschaut wie kaum ein anderer. Auch Franco Foda ist längst zur Sturm-Legende geworden, so wie es die Nordkurve bei seinem letzten Heimspiel auf einem Spruchband formuliert hat.

Fußball ist ein Spiel und nicht Mathematik. Ein Spiel beinhaltet irrationale Momente, das Unvorhersehbare macht erst die Spannung aus.

Herr Roth, Sie haben sich für diverse Werke mit Bienen beschäftigt, sind von diesen Tieren fasziniert und vom Verband der Bienenzüchter sogar zum „Ehrenimker“ ernannt worden. Roman Mählich galt als aktiver Spieler, als eine echte „Arbeitsbiene“. Hätten Sie sich Mählich als neuen Sturm-Trainer auch gut vorstellen können oder ist Vogel genau der Richtige?

Das kann ich nur aus der Perspektive eines Zuschauers beurteilen. Ich glaube, Heiko Vogel ist eine sehr gute Wahl. Ich vertraue da ganz einfach Günter Kreissl. Fußball ist ein Spiel und nicht Mathematik. Ein Spiel beinhaltet irrationale Momente, das Unvorhersehbare macht erst die Spannung aus. Das bezieht sich auch auf das Engagement von Spielern, Trainern und Sportdirektoren.

Zum Abschluss unseres Adventgesprächs, natürlich noch die Frage: Was wünschen Sie Ihrem Herzensverein für das kommende Jahr?

Ich wünsche mir, dass wir am Ende der Saison einen der ersten beiden Plätze einnehmen. Man muss im Fußball auch träumen dürfen. Ohne Traum sind wir ein Niemand. Denn selbst wenn es ein böses Erwachen gibt, ist es besser geträumt zu haben, als stets an Murphys Überzeugung – „Everything what can go wrong – will go wrong…“ („was schief gehen kann, geht auch schief“) zu denken.
The sun will never reach the sky
When the eternal winter comes
There will be neither men nor gods
As the world lies under snow and ice

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